Zweite Theilung Polens. 131
Dergestalt durch die überlegene, skrupellose Politik der Czarin von
allen Seiten her umstellt fand sich König Friedrich Wilhelm wieder in
ähnlicher Lage wie sein Vorgänger zwanzig Jahre früher. Er mußte sich
entscheiden, ob er die Alleinherrschaft der Russen in Polen dulden oder
durch eine neue Theilung das Anschwellen der moskowitischen Macht be—
schränken sollte. Die Wahl konnte nicht zweifelhaft sein. Das preußisch—
polnische Bündniß war durch die Polen selber zerrissen, als sie dem Hause
Wettin die erbliche Krone anboten. Der Berliner Hof that jetzt endlich
was die Interessen Preußens längst geboten: er erklärte sich offen gegen
die Maiverfassung von 1791, freilich mit Worten erkünstelter Entrüstung,
welche von seiner bisherigen Haltung häßlich abstachen. Er versammelte
die Hälfte seines Heeres an der Ostgrenze, und da Katharina bei der
unheimlichen Gährung, die das polnische Land erfüllte, sich nicht sicher
fühlte, so willigte sie im Januar 1793 widerstrebend in die zweite Theilung
Polens. Dann sah die Welt den Selbstmord eines weiland mächtigen
Volkes. Alle Gräuel der Pariser Conventsherrschaft erschienen unschuldig
neben dem entsetzlichen Schauspiele der stummen Sitzung des Reichstags
von Grodno; durch ein verabredetes Gaukelspiel, durch den Schein des
Zwanges ließen sich die bestochenen Landboten und Magnaten die Ge—
nehmigung der Theilung ihres Vaterlandes abtrotzen. Preußen erwarb,
außer Thorn und Danzig, jene großpolnischen Lande um Posen und Gnesen,
welche Friedrich im siebenjährigen Kriege so schmerzlich vermißt hatte.
Sie bildeten die natürliche Verbindung zwischen Schlesien und Altpreußen
und konnten, da sie bereits einen starken Bruchtheil deutscher Bewohner
enthielten und mit dem Reiche lebhaften Verkehr unterhielten, im Laufe
der Jahre vielleicht ganz für die germanische Gesittung gewonnen werden.
Die weite Lücke in unserer Ostgrenze war endlich geschlossen, all das
Unrecht, das der polnische Adel seit Jahrhunderten den deutschen Cultur—
bringern angethan, fand nunmehr seine Sühne. Aber wenn die Theilung
selber eine That gerechter Nothwehr war, so zeigte doch die Wahl der
Mittel den sittlichen Verfall des preußischen Staates. Durch Wortbruch
und Lüge, durch Bestechung und Ränke jeder Art erreichte er sein Ziel;
nicht befriedigt mit der Sicherung seiner Grenzen griff er schon weit
über das Maß des Nothwendigen hinaus, bis zur Bzura, tief in rein-
polnisches Land hinein. Das also verstümmelte Polen konnte nicht mehr
bestehen; die zweite Theilung führte unaufhaltsam zu einem letzten Um-
sturz, der für Deutschland verderblich werden mußte.
Die nächste Folge des Theilungsvertrages war der Zerfall der preu-
Kisch-österreichischen Allianz. Kaiser Franz hatte zwar der Vergrößerung
Preußens im Voraus zugestimmt, weil er ohne den Beistand der nord-
deutschen Macht Belgien nicht wiedererobern konnte; dennoch vernahm er
mit Unmuth, wie sein Bundesgenosse eigenmächtig, früher als er selber,
sich den Siegespreis gesichert hatte; es klang ihm wie Hohn, als Katharina
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