138 I. 2. Revolution und Fremdherrschaft.
Held, die böseste Zunge der literarischen Opposition, mahnte beweglich:
„Friedrich Wilhelm, ruf es wieder, ruf dein tapfres Heer zurück! Laß
uns sein der Franken Brüder, so gebeut es das Geschick.“ Auch im Reiche
rief Alles nach Frieden; allgemein war die Ermattung. Thugut andrer-
seits drohte in leidenschaftlicher Erbitterung, er werde sich mit Frankreich
vertragen, wenn man ihm Krakau vorenthalte; der übereilte Abzug der
Oesterreicher aus den Niederlanden und manche bedenkliche Nachrichten,
die über das Treiben des toscanischen Gesandten Carletti in Paris um-
liefen, bestärkten den preußischen Hof in seinem Verdachte gegen die Hofburg.
Kaum minder dringend war das Friedensbedürfniß in dem tief er-
schöpften Frankreich; man wünschte sehnlich, mindestens mit Preußen in's
Reine zu kommen. Doa die Schreckensherrschaft gestürzt, die gemäßigten
Parteien in Paris zur Herrschaft gelangt waren, so schmeichelten sich die
Berliner Staatsmänner mit der Erwartung, ein preußischer Sonderfriede
werde den allgemeinen Frieden einleiten, den alten Besitzstand des Reiches
wiederherstellen. Widerstrebend ließ sich der König endlich die Erlaubniß
zur Eröffnung der Friedensverhandlungen abdringen; im Stillen wünschte
er noch immer als getreuer Reichsfürst einen neuen Rheinkrieg zu führen.
Die Baseler Unterhandlungen verliefen unglücklich, trotz Hardenberg's
diplomatischer Gewandtheit, weil die Minister in Berlin nicht den Muth
hatten den Gegnern mit der Wiederaufnahme der Feindseligkeiten zu
drohen. Auch dem Gedanken der Secularisation, der von den Franzosen
wieder aufgegriffen wurde und vielleicht noch einen leidlichen Ausweg er-
öffnen konnte, wagten die preußischen Diplomaten nicht ernsthaft in's
Gesicht zu sehen. Sie begnügten sich mit einer armseligen Halbheit und
schlossen am 5. April 1795 den Frieden von Basel, kraft dessen Preußen
einfach aus dem Coalitionskriege ausschied; gelang den Franzosen sich
auf dem linken Ufer zu behaupten, so sollte der König für seinen über-
rheinischen Besitz entschädigt werden — durch secularisirtes geistliches
Land, wie beide Theile stillschweigend voraussetzten.
Der Friedensschluß war, wie die Menschen und die Dinge in Preußen
augenblicklich standen, das letzte verzweifelte Mittel um den Staat aus
einer unhaltbaren Lage zu retten. Er war die nothwendige Folge viel-
jähriger Fehler und Mißgeschicke, eines unwahren Bündnisses, das den
Keim des Verrathes in sich trug, einer kraftlosen Politik, die sich zwischen
Polen und dem Rheine unstet hin und her warf ohne jemals einen ent-
scheidenden Schlag zu führen. Er war die Schuld nicht einzelner Männer,
sondern des gesammten Volkes, das, einmal durch einen großen Mann
aus seinem politischen Schlummer aufgerüttelt, sich wieder in ein waches
Traumleben verlor und wieder lernte mit gelassenem Wohlgefallen an
seiner politischen Zukunft zu verzweifeln. Er war trotz aller zwingenden
Gründe, die ihn entschuldigten oder erklärten, der schwerste politische
Fehler unserer neuen Geschichte, eine Untreue des preußischen Staates