Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Baseler Frieden. 139 
gegen sich selber, die durch zwei Jahrzehnte der Entehrung und der Noth, 
durch beispiellose Opfer und Kämpfe gebüßt worden ist. 
Als der Mehrer des Reichs war dies Preußen über die Nichtigkeit 
des Kleinstaatenthums hinausgewachsen; keine Niederlage in freier Feld— 
schlacht konnte diesen Staat je tiefer beugen als er sich selber demüthigte, 
da er ungeschlagen seine Hand abzog von der deutschen Westmark und 
das soeben erst durch Preußens Heer dem Reiche wiedergeschenkte Mainz 
einem ungewissen Schicksal preisgab. Durch die Kraft des Willens hatte 
Preußen sich allezeit unter übermächtigen Nachbarn behauptet; unziem— 
licher sogar als ein offener Bund mit dem Reichsfeinde war für diese 
Macht der träge Kleinmuth, der gemächlich abwarten wollte, ob vielleicht 
Oesterreich noch die Franzosen aus dem Reiche hinausschlüge. Ein ehren— 
haftes Gefühl reichsfürstlichen Stolzes bewog den König dem Baseler 
Friedenswerke bis zum letzten Augenblicke zu widersprechen: er war der 
Erbe jenes großen Kurfürsten, der, nicht minder schnöde von Oesterreich 
betrogen, doch immer wieder den Kampf um die rheinischen Lande gewagt 
hatte; zudem empfand er dunkel, wie der wackere alte Minister Finkenstein, 
daß die Behauptung der Westgrenze des Reichs für die Machtstellung 
Preußens weit wichtiger war als der Besitz von Sandomierz und Krakau. 
Verrathen von seinen Verbündeten war er unzweifelhaft berechtigt von 
der Coalition zurückzutreten sobald Frankreich einen ehrenvollen Frieden 
bot und die alten Grenzen des Reichs anerkannte, doch ein solcher Friede 
ließ sich nur erreichen wenn man den Willen hatte einen vierten rheinischen 
Feldzug zu wagen. Noch hatte der Krieg die Kernlande der Monarchie 
nicht berührt; der Wohlstand zeigte überall ein nachhaltiges Gedeihen, ob- 
gleich der Mißwachs des Jahres 1794 augenblickliche Verlegenheiten bereitete. 
Von einer Ueberbürdung des Volkes war keine Rede; das um tausende von 
Geviertmeilen vergrößerte Staatsgebiet brachte seinem gutherzigen Fürsten 
kaum eine Million Thaler mehr an jährlichen Einkünften als einst der 
kleine Staat Friedrich's II. Ein großer Staatsmann mußte in solcher 
Lage die Mittel zu finden wissen für einen neuen Feldzug, trotz der schwer- 
fälligen Formen des Finanzwesens, trotz der üblen Erfahrungen, die man 
soeben mit einer ausländischen Anleihe gemacht hatte. Aber im Rathe des 
Königs fehlte ein schöpferischer Kopf; der unglückliche Fürst sah keinen Ausweg 
mehr und beschwichtigte sein Gewissen mit dem trübseligen Troste, daß der 
Friede mindestens keine förmliche Abtretung deutschen Landes ausspreche. 
Alle Berechnungen und Erwartungen seiner schlauen Rathgeber er- 
wiesen sich sofort als ein großer Irrthum. Sie dachten den Reichskrieg 
zu beendigen, Hardenberg glaubte, Frankreich werde freiwillig auf die 
Nheingrenze verzichten um nur mit dem Reiche sich abzufinden, und hoffte 
arglos auf ein dauerndes Freundschaftsverhältniß zwischen Preußen und 
der Republik. Wie ahnten sie doch so gar nichts von dem Charakter des 
revolutionären Frankreichs! In Paris kam bald nach dem Baseler Ver-
	        
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