Baseler Frieden. 139
gegen sich selber, die durch zwei Jahrzehnte der Entehrung und der Noth,
durch beispiellose Opfer und Kämpfe gebüßt worden ist.
Als der Mehrer des Reichs war dies Preußen über die Nichtigkeit
des Kleinstaatenthums hinausgewachsen; keine Niederlage in freier Feld—
schlacht konnte diesen Staat je tiefer beugen als er sich selber demüthigte,
da er ungeschlagen seine Hand abzog von der deutschen Westmark und
das soeben erst durch Preußens Heer dem Reiche wiedergeschenkte Mainz
einem ungewissen Schicksal preisgab. Durch die Kraft des Willens hatte
Preußen sich allezeit unter übermächtigen Nachbarn behauptet; unziem—
licher sogar als ein offener Bund mit dem Reichsfeinde war für diese
Macht der träge Kleinmuth, der gemächlich abwarten wollte, ob vielleicht
Oesterreich noch die Franzosen aus dem Reiche hinausschlüge. Ein ehren—
haftes Gefühl reichsfürstlichen Stolzes bewog den König dem Baseler
Friedenswerke bis zum letzten Augenblicke zu widersprechen: er war der
Erbe jenes großen Kurfürsten, der, nicht minder schnöde von Oesterreich
betrogen, doch immer wieder den Kampf um die rheinischen Lande gewagt
hatte; zudem empfand er dunkel, wie der wackere alte Minister Finkenstein,
daß die Behauptung der Westgrenze des Reichs für die Machtstellung
Preußens weit wichtiger war als der Besitz von Sandomierz und Krakau.
Verrathen von seinen Verbündeten war er unzweifelhaft berechtigt von
der Coalition zurückzutreten sobald Frankreich einen ehrenvollen Frieden
bot und die alten Grenzen des Reichs anerkannte, doch ein solcher Friede
ließ sich nur erreichen wenn man den Willen hatte einen vierten rheinischen
Feldzug zu wagen. Noch hatte der Krieg die Kernlande der Monarchie
nicht berührt; der Wohlstand zeigte überall ein nachhaltiges Gedeihen, ob-
gleich der Mißwachs des Jahres 1794 augenblickliche Verlegenheiten bereitete.
Von einer Ueberbürdung des Volkes war keine Rede; das um tausende von
Geviertmeilen vergrößerte Staatsgebiet brachte seinem gutherzigen Fürsten
kaum eine Million Thaler mehr an jährlichen Einkünften als einst der
kleine Staat Friedrich's II. Ein großer Staatsmann mußte in solcher
Lage die Mittel zu finden wissen für einen neuen Feldzug, trotz der schwer-
fälligen Formen des Finanzwesens, trotz der üblen Erfahrungen, die man
soeben mit einer ausländischen Anleihe gemacht hatte. Aber im Rathe des
Königs fehlte ein schöpferischer Kopf; der unglückliche Fürst sah keinen Ausweg
mehr und beschwichtigte sein Gewissen mit dem trübseligen Troste, daß der
Friede mindestens keine förmliche Abtretung deutschen Landes ausspreche.
Alle Berechnungen und Erwartungen seiner schlauen Rathgeber er-
wiesen sich sofort als ein großer Irrthum. Sie dachten den Reichskrieg
zu beendigen, Hardenberg glaubte, Frankreich werde freiwillig auf die
Nheingrenze verzichten um nur mit dem Reiche sich abzufinden, und hoffte
arglos auf ein dauerndes Freundschaftsverhältniß zwischen Preußen und
der Republik. Wie ahnten sie doch so gar nichts von dem Charakter des
revolutionären Frankreichs! In Paris kam bald nach dem Baseler Ver-