Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

248 I. 2. Revolution und Fremdbherrschaft. 
Troß, über die Hochebene dahin; jeder Hornruf des nachsetzenden Feindes 
steigerte die Verwirrung, weckte die gemeine Angst um das Leben. „Das 
waren Gräuel,“ sagte Gneisenau, dieser fürchterlichen Nacht gedenkend; 
„tausendmal lieber sterben, als das noch einmal erleben!“ Vergeblich 
sammelte er einige Haufen der Flüchtigen am Rande des Webichtholzes 
nahe vor Weimar um den Rückzug des Corps zu decken. Er sollte lernen, 
was die dämonische Macht des Schreckens über ein geschlagenes Heer ver- 
mag; ein letzter Angriff der französischen Reiter auf's Gerathewohl in 
das Dunkel der Nacht hineingeführt, warf Alles in wilder Flucht aus- 
einander. Unauslöschlich haftete dies Bild des Entsetzens in der Seele 
des Helden, ein Vermächtniß für die Tage der Vergeltung. 
Gleichzeitig erfocht Davoust einige Meilen weiter flußab einen un- 
gleich schwereren Sieg über die preußische Hauptarmee. Er zog auf der 
Straße von Naumburg westwärts um den Preußen den Weg zur Elbe 
zu verlegen. Als seine Colonnen am Morgen des Vierzehnten soeben 
aus dem Kösener Engpasse auf die wellige Hochfläche hinaufgerückt waren, 
die zwischen Hessenhausen und Auerstedt steil über dem linken Saalufer 
empor steigt, da stießen die beiden Heere plötzlich im dichten Nebel auf 
einander, beide im Marsch, beide des Kampfes nicht gewärtig, die Preußen 
hier dem Feinde an Zahl reichlich gewachsen. Schon während der ersten 
Stunden der Schlacht wurde der Herzog von Braunschweig tödlich ver- 
wundet; das preußische Heer blieb in den entscheidenden Augenblicken 
ohne Leitung, da der König weder selbst den Oberbefehl zu übernehmen 
wagte noch einen anderen Befehlshaber ernannte. Wohl drang Scharn- 
horst mit dem linken Flügel siegreich vor und glaubte schon die Ehre 
des Tages gerettet zu haben; doch die Reiterei des rechten Flügels ward 
ungeschickt verwendet, und das zweite Treffen unter Kalckreuth nahm an 
dem Kampfe gar nicht theil, denn in diesem Friedensheere wagte kein 
General auf eigne Faust zu handeln. So glückte es dem Feinde, freilich 
nur mit dem Aufgebot seiner letzten Reserven, den rechten Flügel der 
Preußen zu werfen, und nunmehr mußte auch Scharnhorst weichen. 
In leidlicher Ordnung ging das Heer zurück um weiter westlich bei Butt- 
stedt gegen Norden abzubiegen und den Weg über Sangerhausen nach 
Magdeburg einzuschlagen. Dieselbe Rückzugsstraße hatte auch Hohenlohe 
von Weimar aus genommen, und jetzt erst, da die beiden geschlagenen 
Heere im Dunkel der Nacht auf einander trafen, ward der Schrecken 
allgemein und die Hauptarmee in die Zerrüttung des Hohenlohischen 
Corps mit hineingerissen. Die Mannschaft sah stumpf und theilnahmlos 
den Untergang des alten Preußens, schaarenweise verließ sie die Fahnen; 
selbst Gefangene, die ein beherzter Reitertrupp wieder befreit hatte, weigerten 
sich die Waffen wieder aufzunehmen. Als man der Heimath näher kam, 
stahl sich auch mancher treue Mann zu den Seinigen hinwegj; die Altgedienten 
sagten: ich habe lange genug den Kuhfuß getragen, der König hat der
	        
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