Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Die Capitulationen. 249 
jungen Burschen genug, die mögen es ausfechten! Der Zauber der 
fridericianischen Unbesiegbarkeit war gebrochen, ein Kriegsruhm ohne 
Gleichen war verloren. 
Schon am 15. October legte Napoleon allen preußischen Provinzen 
diesseits der Weichsel eine Contribution von 159 Mill. Fr. auf, denn das 
Ergebniß der gestrigen Schlacht sei die Eroberung aller dieser Lande. 
Vermessener hatte der Glückliche noch nie geprahlt, und doch sollte die 
frevelhafteste der Lügen durch ein wunderbares Geschick zur buchstäblichen 
Wahrheit werden. Der Dresdner Hof vollzog sogleich nach der Nieder- 
lage den längst geplanten Abfall und trat zu Napoleon über. Acht Tage 
nach der Schlacht wurden die preußischen Gebiete links der Elbe, sowie 
die Besitzungen der Oranier und des hessischen Kurhauses vorläufig dem 
französischen Kaiserreiche einverleibt. Das System zweideutiger Neutra- 
lität, das der Kurfürst von Hessen mit Napoleon's Zustimmung einge- 
halten, fand jetzt seine Strafe: der Sieger wollte den geheimen Feind in 
seinem Rücken nicht mehr dulden. In Münster feierte die altständische 
Libertät jubelnd die Erlösung vom preußischen Joche; man riß die schwarz- 
weißen Schlagbäume nieder, französische und münsterländische Fahnen ver- 
herrlichten den Einzug der napoleonischen Truppen. Auch in Hannover 
wurden die schwarzen Adler eilfertig abgenommen und die Entfernung der 
preußischen Beamten mit unverhohlener Schadenfreude begrüßt. 
Während also die neuen Provinzen verloren gingen, erlitt die Reserve- 
armee bei Halle eine Niederlage, und da sie nach Magdeburg zurückwich statt 
die Hauptstadt zu sichern, so konnte Napoleon ungehindert auf der Sehne 
des weiten Bogens, den die Besiegten beschrieben, seinen Siegeszug nach 
Berlin fortsetzen. Furchtbar rächte sich nun der selbstgefällige Hochmuth der 
bequemen Friedenszeiten. Keiner der festen Plätze war gerüstet, denn Nie- 
mand hatte das Vordringen des Feindes bis in das Herz der Monarchie 
für denkbar gehalten; der schwerfällige Staatshaushalt, der nach der Weise 
eines guten Hausvaters die Ausgaben nach den Einnahmen bemaß, gebot 
auch gar nicht über Mittel für außerordentliche Fälle. Mancher der ab- 
gelebten alten Festungscommandanten war in jungen Jahren ein wackerer 
Offizier gewesen, doch ihr Pflichtgefühl entsprang nicht der Vaterlandsliebe, 
sondern dem Standesstolze; das Heer war ihnen Alles, erfroren in steifem 
Dünkel erwarteten sie gelassen den unfehlbaren Sieg der fridericianischen 
Regimenter. Als nun die sinnverwirrende Kunde von der Niederlage durch 
das Land flog, als die elenden Trümmer dieses unüberwindlichen Heeres in 
Magdeburg anlangten, die ganze Stadt mit Schrecken und Verwirrung 
füllend, da ward den alten Herren zu Muthe, als ginge die Welt unter; 
jeder Widerstand schien ihnen nutzlos, was ihrem Leben Halt gegeben war 
zerbrochen. Nach dem Falle von Erfurt, das sogleich nach der Schlacht 
schimpflich capitulirte, öffneten bald auch die Hauptfestungen des alten 
Staates, Magdeburg, Küstrin, Stettin, und mehrere kleine Plätze ihre Thore.
	        
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