Napoleon in Berlin. 251
trümmerte die kaiserliche Garde; die Victoria vom Brandenburger Thore
wurde abgerissen um an der Seine in einem Schuppen zu verschwinden.
Welch ein Anblick, als das glänzende Regiment der Gensdarmes, ent—
waffnet, abgerissen und halb verhungert, in jammervollem Zustande wie
eine Viehherde die Linden hinabgetrieben wurde. Unter Trommelwirbel
und Trompetengeschmetter, in feierlichem Aufzuge trug man die alten
Fahnen mit dem sonnenwärts fliegenden Adler, ganze Körbe voll silberner
Pauken und Trompeten durch die Stadt, beredte Zeugen alten Ruhmes,
neuer Schande. Von den Truppen, die im Felde gestanden, war die Garde
du Corps wohl das einzige Regiment, das alle seine alten Ehrenzeichen
gerettet hatte. Bald wurde verboten, daß irgend eine preußische Uniform
sich in Berlin blicken lasse; auch die pensionirten alten Offiziere sollten den
blauen Rock ausziehen. Dazu die unerschwinglichen Contributionen, dazu
der Uebermuth, die Völlerei, die Erpressungen der Einquartierung. Am
21. November erließ Napoleon aus Berlin jenes unerhörte Decret, das
allen Handel mit England verbot, alle englischen Waaren zur Confis—
cation verurtheilte: das System der Continentalsperre war begründet,
Deutschlands Wohlstand auf Jahre hinaus gewaltsam unterbunden.
Es fehlte nicht an Zügen ehrloser Unterwürfigkeit; die Niedertracht,
die in keinem Volke mangelt, erschien hier häßlicher als anderswo, denn
deutsche Formlosigkeit versteht sich nicht, wie die feinere Bildung der Ro—
manen, auf die zweifelhafte Kunst den äußeren Anstand mitten in der
Gemeinheit zu wahren. Mancher schlechte Gesell bot dem Eroberer kriechend
seine Dienste an. Lange, Buchholz und andere Chorführer der Berliner
Aufklärung verherrlichten den Sieg der Vernunft über das adliche Vor—
urtheil: der Haß des Volkes gegen den Uebermuth der Offiziere bekundete
sich in einigen empörenden Auftritten roher Spötterei. Auch die schwer—
fällige Pedanterei und die gedankenlose Pünktlichkeit des Beamtenthums
lähmten dem Staate die Widerstandskraft; alle Behörden besorgten in der
wilden Zeit ruhig ihr gewohntes Tagewerk, also daß die einrückenden
Sieger überall einen geordneten Verwaltungsapparat zu ihren Diensten
vorfanden und mancher wohlmeinende alte Kriegsrath, ohne es selber
recht zu merken, ein Werkzeug des Feindes wurde. Unter den Fällen
offenbaren Verrathes erschien keiner so schmählich wie der Abfall Johannes
Müller's. Den pathetischen Lobredner altdeutscher und schweizerischer Frei—
heit rissen die Triumphe des Imperators zu knechtischer Bewunderung
hin; er hielt es an der Zeit sich gänzlich umzudenken, feierte in schwül—
stigen Perioden Napoleon und Friedrich als die Heroen der modernen
Welt. Da sagte ihm sein alter Genosse Gentz empört die Freundschaft
auf und wünschte ihm nur die eine Strafe von allmächtigem Gewicht:
daß er den Usurpator gestürzt und Deutschland wieder frei und glücklich
sehen möge! Minder unwürdig, doch ebenso krankhaft war die wissen—
schaftliche Gelassenheit, womit Hegel sich den Untergang seines Vaterlandes