Gneisenau. Schlacht von Friedland. 263
mal etwas despotisch, kassirte feigherzige Offiziere, lebte fröhlich mit den
Braven, kümmerte mich nicht um die Zukunft und ließ brav donnern.“
Die feindlichen Generale bemerkten mit Erstaunen, wie hier ein genialer
Wille eine neue, der französischen ebenbürtige Kriegsweise anwendete: der
Vertheidiger wechselte die Rollen mit dem Angreifer, beunruhigte die Be—
lagerer durch überraschende Ausfälle, warf Erdwerke im freien Felde auf,
die den Feind wochenlang von den Wällen der Festung fern hielten. Auch
die alte hochgemuthe Liederlust des deutschen Soldaten, die sonst in diesem
düsteren Kriege gänzlich schwieg, regte sich hier zuerst wieder; neckend
klang es von den unbezwungenen Wällen: „wir haben Kanonen, wir
haben kein Bang; marschirt nur nach Hause und wartet nicht lang!“
Zugleich führte der tapfere Husar Schill in der Nähe von Colberg einen
abenteuerlichen Parteigängerkrieg, und Gneisenau vernahm mit neidloser
Freude, wie die Masse den wackeren beschränkten Mann als den Helden des
Vaterlandes pries: ihm war es recht, wenn nur die gedrückte Seele dieses
Volkes sich wieder hoffend emporhob, gleichviel an wessen Bilde. In Vor—
pommern sammelte Marwitz ein Freicorps, zur Befreiung des deutschen
Vaterlandes, wie der tapfere Junker seinen Leuten sagte; in Westphalen ver—
suchte der treue Vincke einen Aufstand anzuzetteln. Blücher aber schickte
sich an, mit einem kleinen preußischen Corps, mit schwedischen Hilfs—
truppen und einer englischen Landungsarmee, die auf Rügen erwartet
wurde, eine Diversion im Rücken Napoleon's zu unternehmen. Dem
Imperator wurde das zähe preußische Wesen täglich verhaßter. In über—
strömendem Zorne nannte er Schill einen Räuber, ließ in seinen Zei—
tungen den König verhöhnen als einen Einfältigen, der neben Alexander
kaum so viel gelte wie ein Adjutant; er war entschlossen den unbequemen
Staat, den er nie mehr versöhnen konnte, gänzlich zu vernichten.
Da fiel die Entscheidung in Ostpreußen. Der allgemeine Unwille
über den Fall von Danzig nöthigte den russischen Oberbefehlshaber, im
Juni endlich wieder seine Armee in Bewegung zu setzen. Ein Angriff
der Franzosen wurde bei Heilsberg glücklich zurückgewiesen. Als aber
Napoleon nunmehr die Alle abwärts zog um die Russen zu umgehen, da
unternahm Bennigsen, ohne Kenntniß der Stärke des Feindes, einen un—
bedachten Vorstoß gegen die französischen Marschcolonnen und erlitt bei
Friedland am 14. Juni eine vollständige Niederlage. Am Jahrestage
von Marengo ging der preußische Krieg zu Ende, denn nach diesem einen
Schlage brach Alexander's Muth ebenso plötzlich zusammen wie vordem
nach der Austerlitzer Schlacht. Noch war sein Land vom Feinde unbe-
rührt, aber er fürchtete einen Aufstand im russischen Polen; sein Bruder
Konstantin und die große Mehrzahl der Generale verwünschten laut diesen
Krieg für fremde Zwecke, auch Stadion hatte schon früher den russischen.
Gesandten gefragt, warum sich der Czar für Preußen opfern wolle. Der
Unbeständige meinte der Großmuth genug gethan zu haben; ohne den König,