264 I. 2. Revolution und Fremdherrschaft.
der unerschütterlich auf die Betheuerungen seines Freundes vertraute, auch
nur zu benachrichtigen bot Alexander dem Sieger einen Waffenstillstand
an. Napoleon griff freudig zu; er war außer Stande jetzt schon den
Krieg bis in das Innere Rußlands zu tragen, und zudem ängstigte ihn
die schwankende Haltung Oesterreichs, das um die nämliche Zeit einen
Unterhändler zu den Verbündeten sendete. In wenigen Tagen gelang es
ihm dann den Czaren für das französische Bündniß zu gewinnen. Nicht
als ob Alexander's Schlauheit diesem Bundesgenossen jemals getraut hätte.
Nur für einige Jahre mindestens hoffte er von der neuen Freundschaft
Vortheil zu ziehen; waren erst mit Frankreichs Hilfe zwei Lieblingswünsche
des thatenlustigen jungen Kaisers erfüllt, war erst Finnland erobert und
auf der Balkanhalbinsel fester Fuß gefaßt, so konnte das verstärkte Rußland
vielleicht dereinst mit besserem Erfolge das Werk der Weltbefreiung wieder
aufnehmen. Geblendet von solchen lockenden Aussichten bemerkte Alexan-
der kaum, daß das napoleonische Weltreich und die Continentalsperre ohne
die Unterwerfung Rußlands nicht bestehen konnten, daß der Imperator
schon jetzt durch die Besetzung Danzigs und die Wiederaufrichtung eines
polnischen Staates den Entscheidungskrieg gegen seinen neuen Freund
von langer Hand her vorbereitete.
Nachdem die beiden Kaiser über ein Schutz= und Trutzbündniß und
einen gemeinsamen Krieg gegen England sich geeinigt, wurde auch der
verlassene Bundesgenosse herbeigerufen. Der König hatte ritterlich aus-
gehalten, bis fast der letzte Fußbreit seines Landes verloren warz; jetzt
mußte er sich beugen, denn was konnte ein Aufruf an die Deutschen,
wie ihn Hardenberg wünschte, in dieser Stunde noch nützen? Als Friedrich
Wilhelm auf dem Floße im Memelstrome dem Eroberer begegnete, ver-
mochte er nicht den tiefen Widerwillen seines ehrlichen Herzens zu ver-
bergen, und der Sieger hatte für den Geschlagenen nur schnöde Gering-
schätzung, grollende Vorwürfe. Auch die Bitten der mißhandelten Königin,
die ihrem Lande selbst den weiblichen Stolz opferte und dem rohen Pei-
niger persönlich nahte, glitten von Napoleon ab — so schrieb er schaden-
froh — wie das Wasser vom Wachstuch.
Am 7. und 9. Juli 1807 wurde der Friede von Tilsit unterzeichnet,
der grausamste aller französischen Friedensschlüsse, unerhört nach Form
und Inhalt. Nicht der rechtmäßige König von Preußen trat dem Sieger
einige Landestheile ab, sondern der Eroberer bewilligte aus Achtung für
den Kaiser aller Reußen die Rückgabe der kleineren Hälfte des preu-
ßischen Staates an ihren Monarchen. Und dieser empörende Satz, den
die Zeitgenossen nur für eine Ungezogenheit napoleonischen Uebermuths
ansahen, sagte die nackte Wahrheit. Denn wirklich nur aus Rück-
sicht auf den Czaren führte Napoleon die fest beschlossene Vernichtung
Preußens vorläufig bloß zur Hälfte aus. Er bedurfte der russischen
Allianz um zunächst seinen großen Anschlag gegen Spanien ungestört in'’s