370 I. 3. Preußens Erhebung.
seine Finanzpläne besprochen und aus der begeisterten Freude, welche
dem Monarchen überall entgegen jubelte, neue Zuversicht geschöpft: „ein
Wort von Ew. Majestät wirkt mehr als Alles.“
Frischen Muthes entfaltete er nach der Heimkehr eine erstaunliche
Thätigkeit. Zunächst wurde durch die Verordnung vom 27. October 1810
die Vollgewalt des Staatskanzlers gesetzlich festgestellt. Die fünf Ministerien
blieben bestehen, doch als Untergebene des Kanzlers; der von Stein ge-
plante Staatsrath wurde endlich, auf dem Papiere mindestens, gebildet,
doch in so bescheidener Gestalt, daß er der Allmacht des Kanzlers nicht
bedrohlich werden konnte; das soeben erst neu geschaffene Amt der Ober-
präsidenten fiel hinweg, die Regierungen sollten wie Napoleon's Präfecten
unmittelbar unter der Centralverwaltung stehen. So verrieth sich schon
hier ein scharf bureaukratischer Zug; an einem selbständigen Leben der
Provinzen lag dem Staatskanzler wenig. Am nämlichen Tage erschien
das Edict über die Finanzen des Staates — ein Gesetz, dessen gleichen
die preußische Monarchie noch nie gesehen, nach Form und Inhalt ein
denkwürdiges Zeugniß für die unternehmende Leichtfertigkeit des geistreichen
Cavaliers, der jetzt die Zügel hielt. Während Stein's Gesetze immer nur
eine bestimmte Frage in's Auge faßten und diese durch umsichtige, gründ-
liche Vorschriften nach allen Seiten hin erledigten, überschüttete das neue
Finanzedict die Nation mit einem Sturzbade herrlicher Versprechungen.
Von der Nationalbank, den Tresorscheinen und den anderen gleißenden
Projecten des vergangenen Sommers war der Staatskanzler freilich zu-
rückgekommen; dafür entrollte er das Programm einer großartigen Steuer-
reform „zur Rettung des Landes“. Er versprach, daß fortan „alle Auf-
lagen nach gleichen Grundsätzen von Jedermann zu tragen“ seien, ver-
sprach ein neues Kataster und die Ausgleichung der in den einzelnen
Landestheilen grundverschiedenen Grundsteuern, er versprach die völlige
Gewerbefreiheit, die Secularisation der geistlichen Güter, die Vereinigung
der gesammten Kriegsschulden des Staates und der Provinzen, ebenso die
Einführung allgemeiner Consumtions= und Luxussteuern und ließ endlich
nach allen diesen Versicherungen den König noch erklären: Seine Majestät
behalte sich vor „der Nation eine zweckmäßig eingerichtete Repräsentation
sowohl in den Provinzen als für das Ganze zu geben. So wird sich
das Band der Liebe und des Vertrauens zwischen Uns und Unserem
treuen Volke immer fester knüpfen!“ Welch ein Leichtsinn: die Krone
also feierliche Versprechungen geben zu lassen, deren Sinn und Umfang
sie, wie sich bald genug herausstellte, noch gar nicht beurtheilen konntel
Als einzige Entschuldigung für diese in Preußen unerhörte Leichtfertigkeit
wußte Hardenberg nur vorzubringen, daß man dem gefährlichen west-
phälischen Nachbar in der Gunst der Opinion den Rang ablaufen müssel
Einige jener Versprechungen löste der Staatskanzler in der That so-
fort ein. Schon am nächsten Tage wurde eine allgemeine Luxussteuer für