Die Volkserhebung. 431
meinende wollte nicht glauben, daß dies kleine Preußen den lächerlich un—
gleichen Kampf wagen könne, und kam erst zur Einsicht als mit dem Ein—
zuge des Czaren in Breslau (15. März) jede Täuschung unmöglich wurde.
Noch beim Abschied beschwor er den Staatskanzler, diesen Fürsten und dies
Land, die er lieb gewonnen, nicht in's Verderben zu stürzen; alle diese
Knaben und Jünglinge würden den König gegen die Uebermacht seines
Kaisers nicht schützen. Am 16. März theilte ihm Hardenberg amtlich
mit, daß Preußen sich mit Rußland verbündet habe. Der Krieg war
erklärt.
Am folgenden Tage unterzeichnete Friedrich Wilhelm das Landwehr-
gesetz und den „Aufruf an Mein Volk“. Es war die Rückkehr zur Wahrheit
und zum freien Handeln, wie Schleiermacher in einer freudevollen Predigt
sagte. Das treue Volk athmete auf, da nun endlich jeder Zweifel schwand,
die allzu harte Prüfung der Geduld und des Gehorsams vorüber war.
So hatte noch nie ein unumschränkter Herrscher zu seinem Lande geredet.
Ein Hauch der Freiheit, wie er einst die äschyleischen Kriegslieder der
Hellenensöhne erfüllte, wehte durch die schlichten, eindringlichen Worte,
die der geistvolle Hippel in guter Stunde entworfen hatte. Mit herz-
lichem Vertrauen rief der König seine Brandenburger, Preußen, Schlesier,
Pommern und Litthauer bei ihren alten Stammesnamen an und entbot
sie zum heiligen Kampfe: „Keinen anderen Ausweg giebt es, als einen
ehrenvollen Frieden oder einen ruhmvollen Untergang. Auch diesem würdet
Ihr getrost entgegengehen, weil ehrlos der Preuße und der Deutsche nicht
zu leben vermag!“ Und nun stand es auf, das alte waffengewaltige
Preußen, das Volk der Slawenkämpfe, der Schwedenschlachten und der
sieben Jahre, und ihm geschah wie jenem Helden der germanischen Sage,
der beim Anblick seiner Fesseln so in heißem Zorn entbrannte, daß die
Ketten schmolzen. Kein Zweifel, kein Abwägen der Uebermacht des Feindes;
Alle dachten wie Fichte: „Nicht Siegen oder Sterben soll unsere Losung
sein, sondern Siegen schlechtweg!“ „Mag Napoleon noch so oft Schlachten
gewinnen“ — schrieb Scharnhorst — „die ganze Anlage des Krieges ist
so, daß im Verlaufe dieses Feldzuges uns sowohl die Ueberlegenheit als
der Sieg nicht entgehen kann.“ Schon der Aufruf vom 3. Februar hatte
Erfolge, welche Niemand außer Scharnhorst für möglich gehalten. Es
war der stolzeste Augenblick in Scharnhorst's Leben, als er den König
einst in Breslau an's Fenster führte und ihm die jubelnden Schaaren
der Freiwilligen zeigte, wie sie in malerischem Gewimmel, zu Fuß, zu Roß,
zu Wagen, ein endloser Zug, sich an den alten Giebelhäusern des Ringes
vorüberdrängten. Dem Könige stürzten die Thränen aus den Augen.
Treu und gewissenhaft hatte er seines schweren Amtes gewartet in dieser
langen Zeit der Leiden und oftmals richtiger gerechnet als die Kriegspartei;
was ihm fehlte, war der frohe Glaube an die Hingebung seiner Preußen,
jetzt fand er ihn wieder.