444 I. 4. Der Befreiungskrieg.
an Oesterreich zurückfiele, Sachsen und Westphalen durch je eine Million
preußischer Unterthanen vergrößert würden und dem Hause Hohenzollern
nur nach ein Kleinstaat mit einer Million Einwohnern an der Weichsel
verbliebe. Auf die preußische Kriegserklärung ward mit blutigen Be-
leidigungen erwidert: wenn Preußen sein Erbe zurückfordere, so wisse die
Welt, daß dieser Staat alle seine Erwerbungen in Deutschland nur der
Verletzung der Gesetze und Interessen des deutschen Reichskörpers ver-
danke. Und in einem veröffentlichten Berichte an den Kaiser erhob Maret
die Anklage: der preußische Hof versammle um sich die Chorführer jener
fanatischen Partei, welche den Umsturz der Throne und die Zerstörung
der bürgerlichen Ordnung predige. Diese Kriegserklärung, so schloß er
höhnend, ist der Dank „für den Tilsiter Vertrag, der den König wieder
auf seinen Thron erhob, und für den Pariser Vertrag von 1812, der ihn
zur französischen Allianz zuließ!“
In einem solchen Kampfe war jeder Ausgleich undenkbar. Und wie
unsicher standen die Aussichten für das große Wagniß! Mit Oesterreich
kamen die Alliirten keinen Schritt weiter. Auf wiederholte dringende
Mahnungen ließ sich Metternich endlich am 2. April dahin aus: von
einem sofortigen Bruche mit Frankreich könne keine Rede sein; dagegen sei
Kaiser Franz bereit mit den Verbündeten zusammenzuwirken, falls
Napoleon die von Oesterreich beabsichtigten Friedensvorschläge zurückwiese.
Selbst der junge Graf Nesselrode, der soeben anfing im Rathe des Czaren
eine Rolle zu spielen, allezeit ein warmer Freund Oesterreichs, fand diese
Erklärung nichtssagend und ungenügend.
Auch Großbritanniens Hilfe blieb aus. Englische Subsidien waren
für den Krieg ebenso unentbehrlich, wie der gute Wille Hannovers für
den Bestand des künftigen Deutschen Bundes; deshalb wurde die Wieder-
herstellung der welfischen Besitzungen in Deutschland im Kalischer Ver-
trage ausdrücklich ausbedungen. Die glückliche Insel, die allein unter
allen Staaten Europas dem Imperator standhaft die Anerkennung ver-
weigert hatte, galt bei allen deutschen Patrioten als die feste Burg der
Freiheit, ihre schlaue und gewaltthätige Handelspolitik als ein heroisches
Ringen um die höchsten Güter der Menschheit. Mit glühender Begeiste-
rung ward das hochsinnige Welfenhaus verherrlicht. Graf Münster
träumte von einem freien Welfenreiche Austrasien, das alle deutschen
Lande zwischen Elbe und Schelde umfassen sollte, und fand mit diesem
tollen Plane bei manchem deutschen Patrioten Anklang. Wie oft hatte
England einst, als Pitt noch lebte, dem preußischen Staate glänzende Er-
werbungen, vornehmlich den Besitz der Niederlande verheißen, wenn er sich
dem Bunde gegen Frankreich anschlösse. Nun endlich stand Preußen in
Waffen, und nichts schien dem Staatskanzler sicherer, als daß England
jetzt mit vollen Händen dem neuen Bundesgenossen entgegenkommen würde.
Das „Ministerium der Mittelmäßigkeiten“ aber, das die Erbschaft