Welfischer Länderhandel. 445
Pitt's angetreten, hatte von seinem großen Vorfahren nur den zähen Haß
gegen die Revolution überkommen, nicht den freien und weiten politischen
Blick. Diese Hochtorys bildeten den Herd der europäischen Reaction, sie
erwarteten, wie Lord Castlereagh einmal trocken aussprach, von dem großen
Kampfe einfach „die Wiederherstellung der alten Zustände“, verfolgten
mit ängstlichem Mißtrauen jede junge Kraft, die im Welttheil sich regte,
blickten mit grenzenlosem Hochmuth auf die zur Knechtschaft bestimmten
Völker des Festlands herab. „Die constitutionelle Verfassung“, sagte Castle—
reagh, „ist nicht geeignet für Länder, die sich noch in einem Zustande ver—
hältnißmäßiger Unwissenheit befinden; das äußerst gewagte Princip der
Freiheit muß. man eher hemmen als befördern.“ Das Aufsteigen der
russischen Macht war dem Cabinet von St. James schon längst unheim—
lich, und kaum minder erschrocken als Kaiser Franz beobachtete der Prinz-
regent die stürmische Begeisterung der norddeutschen Jugend, den stolzen
Freimuth der preußischen Generale. Schwer besorgt schrieb Wellington
über die fieberische Erhitzung des preußischen Heeres, das allerdings nicht,
wie die Peninsula-Regimenter des eisernen Herzogs, durch den Idealis-
mus der neunschwänzigen Katze in Zucht gehalten wurde.
Da die alte Schwäche der englischen Staatsmänner, die Unkenntniß
der festländischen Verhältnisse, in diesem Tory-Cabinet unglaublich reich
entwickelt war, so wurde Englands deutsche Politik in Wahrheit durch den
Grafen Münster, den vertrauten hannoverschen Rath des Prinzregenten
geleitet. Die Tage waren vorüber, da Graf Münster durch seine aus-
dauernde Feindschaft gegen das napoleonische Weltreich sich die Achtung
des Freiherrn vom Stein verdient hatte; seit Preußen sich erhob, traten
nur noch die kleinlichen Züge seines politischen Charakters hervor: der
Welfenneid gegen den stärkeren Nachbarn und die gehässigen alten Vor-
urtheile wider „den preußischen Prügel und Ladestock“. Hardenberg's ge-
mäßigte dualistische Pläne erschienen ihm fast noch schrecklicher als Stein's
unitarische Träume; nun und nimmer durfte die Welfenkrone sich einer
höheren Macht beugen. Da sein alter Lieblingsplan, Preußen als eine
Macht dritten Ranges auf die Lande zwischen Elbe und Weichsel zu beschrän-
ken durch die Macht der Ereignisse vereitelt und damit das Welfenkönigreich
Austrasien leider unmöglich geworden war, so sollte der preußische Staat
zum mindesten die englischen Subsidien theuer bezahlen, er sollte nicht
nur mit seinem guten Schwerte Hannover für die Welfen zurück erobern,
sondern dies Land, das selbst nach seiner Befreiung nicht das Mindeste
für den deutschen Krieg geleistet hat, auch noch durch altpreußische Pro-
vinzen vergrößern. Ohne solche Verstärkung, erklärte der welfische Staats-
mann vertraulich, könne Hannover neben Preußen nicht in Sicherheit
und Ruhe leben. Der Prinzregent ging auf diese Gedanken um so
eifriger ein, da seiner Tochter Charlotte das Thronfolgerecht in England
zustand und mithin der welfische Mannsstamm erwarten mußte bald