Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Waffenstillstand von Pläswitz. 463 
seiner rechten Flanke standen. Wie gern hat der greise preußische Held 
noch in späteren Tagen dieses ersten fröhlichen Empfanges gedacht, den 
er dem Feinde auf preußischem Boden bereitet; zum ersten male in diesem 
Feldzuge lächelte ihm das Glück, und seiner Lieblingswaffe allein verdankte 
er den schönen Erfolg. Zuversichtlich wie er sah das gesammte preußische 
Heer neuen Schlachten entgegen; in allen den hartnäckigen Kämpfen dieses 
Rückzugs zeigte der deutsche Soldat eine unverwüstliche Freudigkeit und 
Frische. Mehr als zwanzig Gefechte und zwei große Schlachten waren 
geschlagen, fünfzig Kanonen und viele Gefangene den Franzosen abge— 
nommen, Napoleon aber hatte keine einzige Trophäe in seinen Händen. 
Anders war die Stimmung im russischen Lager. Die von Haus aus 
mäßige Kriegslust der Generale erlahmte gänzlich seit sie sich wieder in 
die äußerste Ostecke Deutschlands zurückgedrängt sahen; abermals wie vor 
sechs Jahren vernahm man die unmuthige Frage: wozu uns opfern für 
fremde Zwecke? Barclay de Tolly, der unterdessen den Oberbefehl über- 
nommen, erklärte bestimmt, sein erschöpftes Heer bedürfe der Ruhe, müsse 
in Polen wiederhergestellt und verstärkt werden. Blücher aber wollte sich 
dann von den Russen trennen und südlich am Fuße der Glatzer Berge dem 
Feinde Stand halten.') Schon war der Abmarsch der Russen über die 
Oder angeordnet, das Kalischer Bündniß drohte auseinanderzugehen. Da 
brachte ein schwerer Mißgriff Napoleon's den Alliirten die Waffenruhe, die 
ihre Rettung werden sollte. 
Wie laut er auch in seinen Bulletins prahlte, so unterschätzte Na- 
poleon doch nicht die Gefahren seiner scheinbar so glänzenden Lage. Wohl 
hielt er alle Lande des rechten Elbufers, dazu die Lausitz und einen Theil 
von Schlesien in seiner Gewalt, jedoch er sah auch die zunehmende Ver- 
wilderung seines Heeres und fürchtete die unberechenbaren Mächte eines 
verzweifelten Volkskrieges. Wenn er jetzt, mit den Kränzen zweier neuer 
Siege um die Stirn, die Hand zum Frieden bot, so ließ sich vielleicht 
ein Abkommen erreichen, das dem Kaiserreiche seine constitutionellen Gren- 
zen sicherte, und der Vernichtungskampf gegen Preußen mochte nach einiger 
Zeit unter günstigeren Umständen wieder aufsgenommen werden. Der so 
oft erprobte beste Bundesgenosse des kaiserlichen Frankreichs, die Zwietracht 
der Ostmächte konnte wohl auch diesmal noch seine Dienste thun. Von 
den Vermittlungsversuchen seines Schwiegervaters versprach sich der Im- 
perator nichts Gutes; er vergaß es nicht, daß Schwarzenberg ihm vor 
Kurzem in's Gesicht gesagt: die Politik hat diesen Ehebund geschlossen, die 
Politik kann ihn auch lösen! Dieser heimtückischen Hofburg, die ohne den 
Muth zu schlagen nach Ländergewinn trachte, gönnte er keinen Vortheil. 
Vielmehr hoffte er eine Zeit lang auf den Wankelmuth Alexander's, den 
er schon vor der Bautzener Schlacht vergeblich durch lockende Friedens- 
vorschläge zu gewinnen versucht hatte. Der bewährte Caulaincourt sollte 
*7) Blücher's Bericht an den König, 1. Juni, Gneisenau an Hardenberg, 3. Juni 1813. 
 
	        
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