486 I. 4. Der Befreiungskrieg.
Elbthale aufsteigen, unbemerkt auf die Hochebene führen. Mehrere Vier-
ecke des österreichischen Fußvolks wurden niedergehauen als er nun plötz-
lich in Rücken und Flanke der Ueberraschten erschien; eine ganze Division
mußte, eingekeilt zwischen dem Feinde und dem tiefen Felsenthale, die
Waffen strecken. Der Plauensche Grund, und damit die Straße nach
Freiberg, war in den Händen der Franzosen. Am Nachmittage trat die
geschlagene Armee den Rückzug an. Zwanzigtausend Gefangene lagerten
in den Kirchen Dresdens und im Hofe des Zwingers, dreißig erbeutete
Kanonen standen im Schloßhofe zur Schau. Die unterthänige Residenz
frohlockte über die Befreiung von den russischen Plünderern und erzählte
sich staunend die wundersame Märe von dem großen sächsischen Kanonier,
der durch einen wohlgezielten Schuß den Verräther Moreau an der Seite
Alexander's getödet haben sollte.
War schon der Anmarsch der böhmischen Armee schwerfällig und
ohne Ordnung erfolgt, was ließ sich jetzt von dem Rückzuge erwarten?
Ein geschlagenes Heer von 200,000 Mann, und nur eine einzige Land-
straße — die Straße, welche über Altenberg nach Dux in das Teplitzer Thal
hinüberführt. Was dort nicht Platz fand mußte wohl oder übel die Neben-
wege einschlagen, die den Gebirgsbächen entlang in engen Felsenthälern
allmählich zum Kamme des Erzgebirges emporsteigen und nachher an dem
steilen südlichen Abhange in unzähligen Windungen sich herniederschlängeln.
Bald waren die schmalen Felsengründe vollgestopft von den unbeweglichen
Massen des ungeheueren Wagentrosses; der Regen strömte vom Himmel;
Unordnung, Angst und Hunger überall, kein Gedanke mehr an eine ge-
meinsame Leitung der in den Engpässen eingeklemmten Heerestheile. Dem
Oberfeldherrn fielen die Zügel aus den Händen; in seiner Angst ließ er
Blücher auffordern, der großen Armee aus Schlesien Hilfe zu bringen.
Die Diplomaten des Hauptquartiers begannen zu verzweifeln, und fast
schien es als sollte die Coalition nach einem ersten Mißerfolge sich auf-
lösen. Wer stand dafür, daß Kaiser Franz nicht wieder wie nach dem
Austerlitzer Tage die Flinte in's Korn warf? War doch der definitive
Bundesvertrag mit Oesterreich noch immer nicht abgeschlossen! Eine
kraftvolle Verfolgung versprach dem Sieger glänzende Ergebnisse. Zum
Glück erhielt Napoleon unterwegs die Nachricht von der Großbeerener
Schlacht und eilte mit dem Kern seines Heeres nach Dresden zurück um
sofort einen neuen Vernichtungszug gegen Berlin vorzubereiten; dies eine
Ziel stand ihm über allen anderen. Auch jetzt noch blieb die Lage der
böhmischen Armee schwer gefährdet. Wenn Vandamme auf seinem kürzeren
Wege früher als die Verbündeten im Teplitzer Thale anlangte, so konnte
er die vereinzelten Corps, die sich aus den Engpässen des Gebirges müh-
sam herauswanden, leicht mit Uebermacht schlagen.
Der junge Prinz Eugen von Württemberg, der mit einem russischen
Corps nahe beim Königstein den Truppen Vandamme's gegenüber stand,