518 I. 5. Ende der Kriegszeit.
Großmächte, von Einheit und von Freiheit sprach und das stolze Selbst-
gefühl zur Schau trug, das die Nation von ihren Tribunen verlangte.
Die hier redeten fühlten sich als die Vertreter des Volks, und dies
Volk glaubte mitten in seinen verschwommenen Träumen seines Zieles
sicher und der Weisheit der Cabinette weit überlegen zu sein. „Etwas
Ganzes und Rechtes soll da werden“, rief Görres den Diplomaten zu,
„und man soll dabei die Stimme des Volkes hören, die vernehmlich und
deutlich aller Orten spricht!“ Gleichwohl war der Rheinische Mercur das
Beste, was eine Zeitschrift sein kann, ein treues Spiegelbild der Gegen-
wart, ehrlich, geistvoll, jugendlich, begeistert wie dies ganze Geschlecht, noch
ganz unberührt von jenen unlauteren Nebenzwecken, welche die Presse in
Zeiten entwickelten Verkehres zu verfolgen pflegt. Die clericalen Nei-
gungen des phantastischen Herausgebers traten noch nicht verletzend hervor.
Seine Verehrung für das kaiserliche Erzhaus hinderte ihn nicht das Lob
der preußischen Helden mit brausendem Jubel zu singen; und wenn er
die Deutschen aufforderte den Kölner Dom als ein Ehrendenkmal für das
wiedererstandene Vaterland auszubauen, wenn er den Papst Pius VII.,
den standhaften Märtyrer der napoleonischen Tyrannei, für den ersten
Helden dieses Weltbefreiungskampfes erklärte, so nahm die romantisch er-
regte Zeit daran keinen Anstoß. Eine verwandte Richtung verfolgten
Rotteck's Teutsche Blätter in Freiburg, eine vielgelesene Zeitschrift, welche
die Kriegsberichte des großen Hauptquartiers aus erster Hand brachte.
Ebenso freudig wie die Bewohner der altpreußischen Provinzen em-
pfingen die Hannoveraner, die Braunschweiger, die Kurhessen ihre wieder-
kehrende alte Herrschaft. Vor den Thoren von Braunschweig prangte
ein festlich geschmückter Tempel auf der Stelle, wo „Braunschweigs Welfe“
Friedrich Wilhelm vier Jahre zuvor mit seiner schwarzen Schaar gelagert
hatte. Die Hannoveraner fühlten sich wieder stolz als Großbritannier
und begeisterten sich für den geisteskranken englischen König, der während
einer halbhundertjährigen Regierung ihr Land niemals eines Besuches
gewürdigt hatte. In Cassel zog der böse Kurfürst Wilhelm wieder ein,
nachdem König Jerome zum zweiten male geflohen war; die Bürger
spannten ihm die Pferde vom Wagen ab und fuhren den Landesvater
mit dem dicken Kropfe und dem langen Zopfe jauchzend vor das Schloß
seiner Ahnen. Ueber seine Fürstentugend täuschte sich freilich das ge-
treue Völkchen selber nicht; doch er war der angestammte Herr, und was
fragt die Liebe nach Gründen? Treffender als die unterthänigen Federn
der amtlichen Blätter drückte ein alter Bauer von der Schwalm die Fami-
liengefühle dieser verkommenen kleinstaatlichen Welt aus in den unwider-
leglichen Worten: „und ob er schon ein alter Esel ist, wir wollen ihn doch
wieder haben!“ Das große, mit dem Blute der verkauften hessischen Solda-
ten erworbene Vermögen des kurfürstlichen Hauses war während der Jahre
des Exils in Frankfurt bei Amschel Rothschild verwahrt worden, der mit