550 I. 5. Ende der Kriegszeit.
waren die Spitzen der großen Armee in Frankreich eingerückt, und jetzt,
nach mehr als zwei Monaten, hatten diese gewaltigen Massen noch keine
einzige Schlacht geschlagen. Wie ein Nebelbild schien die nahe Hauptstadt
vor den Augen der Entmuthigten zu verschwinden. Da seht Ihr was
der Schrecken ist — sagte Napoleon befriedigt zu seiner Garde. Auch als
am 27. Februar das Corps Oudinot's, eine lächerliche Minderzahl, bei Bar
auf den Höhen über der Aube erschien, vermied Schwarzenberg abermals
die Schlacht, räumte Bar, ließ die Feinde sich gemächlich in der Stadt
und im Thale der Aube ausbreiten. Da verlor endlich König Friedrich
Wilhelm die Geduld, überwand seine Schüchternheit und zeigte wieder wie
bei Kulm sein gesundes militärisches Urtheil. Er zwang den Oberfeldherrn
den Angriff zu befehlen. Mit lautem Jubel vernahmen die Soldaten
die heißersehnte Kunde. Obwohl der Oesterreicher allzu spät und nur
mit einem Theile seines Heeres das Treffen begann, so wurde doch ein
schöner Sieg erfochten. Es war ein froher Tag für das königliche Haus,
denn heute ritt Friedrich Wilhelm's zweiter Sohn, Prinz Wilhelm an der
Seite des Vaters zum ersten male in die Schlacht. Die Offiziere lächelten
zufrieden, als der schöne siebzehnjährige Jüngling im furchtbaren Kugel-
regen ganz unbefangen seinen Adjutantendienst versah und nachher mit
dem altberühmten russischen Regimente Kaluga den beherrschenden Hügel
von Malepin hinaufstürmte. Sie meinten, aus dem könne noch einmal
ein anderer Prinz Heinrich werden; Unehrerbietige stellten auch schon Ver-
gleichungen an zwischen diesem frischen Heldensinne und der ästhetischen,
ganz unsoldatischen Natur des geistreichen Kronprinzen.
Der Sieg wurde, nach der Gewohnheit des großen Hauptgquartiers,
nicht verfolgt; immerhin stellte er den Einmuth der Coalition noth-
dürftig wieder her. Wie einst der Teplitzer Vertrag auf die Kulmer
Schlacht, so folgte auf die Schlacht von Bar der Vertrag von Chaumont.
Am 1. März wurde die große Allianz feierlich auf zwanzig Jahre er-
neuert. Spanien, Italien, die Schweiz und die verstärkten Niederlande
sollten beim Friedensschlusse ihre volle Unabhängigkeit erlangen, die deut-
schen sonveränen Fürsten „vereinigt werden durch eine föderative Verbin-
dung, welche die Unabhängigkeit Deutschlands sichert und verbürgt".
Indessen erreichte Blücher das Marnethal; aber da Napoleon, die
Gefährdung der Hauptstadt rasch erkennend, ihm folgte, so wichen die
Schlesier in Eilmärschen gen Norden aus und trafen bei Soissons mit
Bülow's Heer zusammen. Der Eroberer von Holland entsetzte sich, als
er neben seinen vollzähligen, in den behäbigen flandrischen Winterquar-
tieren wohl genährten Schaaren die schwachen Bataillone York's, dies
schmutzige, verwilderte und verwahrloste Kriegsvolk erblickte. Unwillkür-
lich gedachten die Generale an jene Tage vor der Zorndorfer Schlacht,
da König Friedrich seine bissigen Grasteufel mit Dohna's frischen Truppen
vereinigte. Und welche Aussichten für die Zukunft! Das preußische Heer