Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

560 I. 5. Ende der Kriegszeit. 
vive le Roy rufend, und zuletzt ein gnädiges Kopfnicken des Königs und 
ein herablassendes je suis content! Der Bourbone fühlte sich seines 
Thrones völlig sicher, trat den Verbündeten mit naiver Anmaßung ent- 
gegen, beanspruchte als vornehmster Fürst der Christenheit in seinem 
eigenen Schlosse den Vortritt vor den drei Monarchen, denen er Alles 
verdankte. 
Den Siegern dagegen entgingen die schweren Gefahren nicht, welche 
dies aus dem Grabe erstandene Regiment bedrohten. Sie sahen mit wachsen- 
der Sorge, wie weder das knechtische Betragen der sofort zum Royalis= 
mus bekehrten napoleonischen Marschälle, noch die Soldatenspielerei des 
Herzogs von Berry die napoleonischen Gesinnungen des Heeres unter- 
drücken konnte, wie die abgesetzten Beamten grollten und schürten, wie 
zwischen den heimkehrenden Emigranten und der Masse des Volkes eine 
tiefe unübersteigliche Kluft sich aufthat. Vom ersten Tage der neuen Re- 
gierung an hatten die Alliirten geringes Vertrauen zu ihrem Bestande. 
Aber statt aus solchen unheimlichen Anzeichen den Schluß zu ziehen, daß 
Frankreichs Nachbarn verstärkt und zum Widerstande gegen diese unbe- 
rechenbare Macht in Stand gesetzt werden müßten, dachten die Staats- 
männer von Rußland, England und Oesterreich vielmehr durch milde 
Friedensbedingungen dem alten Königshause seine dornige Aufgabe zu er- 
leichtern. 
In Deutschland hatten unterdessen jene Töne, welche Arndt in seiner 
Schrift über den Rhein angeschlagen, mannigfachen Widerhall gefunden. 
Der vielgeschäftige Reichspatriot Gagern forderte in einem wunderlichen 
Büchlein „zur Berichtigung einiger politischen Ideen“ die avulsa imperii, 
Elsaß und Lothringen für das Reich zurück: dies sei der Weg für Oester- 
reich zur Kaiserkrone; „die Krone Preußen aber wird ohne Unbill dadurch 
den Raum gewinnen, der zur Haltung dieses Reichs nothwendig scheint, 
und ein Zutrauen, ohne welches unsere Zukunft trübe wäre.“ Ein Her- 
man Teuthold schrieb einen „Appell an die Nation“, wollte alle Lande 
des linken Ufers zu einem Königreiche Burgund vereinigen. In gleichem 
Sinne sprachen der Rheinische Mercur und die Teutschen Blätter. Arndt, 
Görres und ihre Freunde huldigten fast alle der Hardenbergischen An- 
sicht, daß Oesterreich im Elsaß, Preußen in den Mosellanden die Grenz- 
hut übernehmen müsse. Ein beliebtes Lied sagte: 
Gehalten hier von Oesterreichs Macht, 
Von Preußens Helden dort bewacht, 
Am Rhein, am Rhein 
Muß Deutschlands Markung eisern sein. 
Ein allgemeines leidenschaftliches Verlangen nach der Vogesengrenze zeigte 
sich in diesem Jahre jedoch noch nicht. Es gab ihrer doch Viele, die mit 
einem gelehrten Poeten das Jahr 1814 sprechen ließen: jam vicisse sat 
est, victor non ultor habebor. Der wunderbare Siegeszug vom Memel
	        
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