Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

570 I. 5. Ende der Kriegszeit. 
italien und der Verstärkung der Niederlande zugestimmt. Ein nachträg- 
licher Widerspruch war ein Lufthieb, konnte höchstens bewirken, daß die 
Artikel über Italien und Holland aus den Friedensurkunden wegblieben. 
Damit ward Preußens Stellung nicht gebessert, nur das Mißtrauen der 
Alliirten verschärft. 
Für jetzt war schlechterdings nichts zu erreichen. Preußen unterzeich- 
nete am 31. Mai mit den drei verbündeten Höfen ein Protokoll, das die 
Entscheidung aller noch streitigen Gebietsfragen auf den Congreß verwies. 
Bis dahin sollten Würzburg und Aschaffenburg durch Baiern, das Her- 
zogthum Berg und die Lande zwischen Maas und Mosel durch Preußen, 
die Striche südlich der Mosel durch Baiern und Oesterreich, die belgischen 
Lande durch England und Holland verwaltet werden; Mainz aber erhielt 
eine gemischte Garnison von Preußen und Oesterreichern, ausdrücklich da- 
mit die Entscheidung frei bliebe. Hardenberg hatte bei seiner Niederlage 
nur den einen Trost, daß sein gefährlichster Gegner, Frankreich, bei der 
Gebietsvertheilung nicht mitwirken sollte. Aber die praktische Bedeutung 
dieser Bestimmung hing offenbar lediglich von der Eintracht der Verbün- 
deten ab. Verständigten sie sich nicht unter sich, so mußte ein Staat von 
der Macht und den weitverzweigten Verbindungen Frankreichs, wenn er 
einmal an dem Congresse theilnahm, unausbleiblich auch in die Gebiets- 
streitigkeiten hineingezogen werden, ja er konnte vielleicht allen Verabre- 
dungen zum Trotz das entscheidende Wort sprechen. Dies ward auch schon 
in Paris dunkel geahnt. Czar Alexander und Stein erfuhren bald von 
einem verdächtigen geheimen Verkehre zwischen Talleyrand, Metternich und 
Castlereagh; man fühlte, wie die Coalition sich lockerte, wie England und 
Oesterreich nach Bundesgenossen suchten um die preußisch-russischen Pläne 
zu vereiteln. 
Während also Preußens unversöhnlichster Feind von einigen der 
verbündeten Mächte umworben wurde, begann zugleich die Freundschaft 
zwischen dem preußischen und dem russischen Cabinet bedenklich zu erkalten. 
Schon die wohlfeile Großmuth des Czaren hatte den Staatskanzler tief 
verstimmt, und jetzt wurde auch von dem Plane der Wiederherstellung 
Polens Einiges ruchbar. Man vernahm, wie der Czar im Hotel Talley- 
rand begeistert von Polens Freiheit sprach; der kluge Franzose bedurfte 
noch der russischen Gunst für die Abwicklung der Friedensverhandlungen und 
bestärkte den kaiserlichen Gast durch harmlose zustimmende Bemerkungen 
in seiner Schwärmerei. Alexander besuchte mehrmals die Festlichkeiten der 
polnischen Emigranten, die ihn huldigend umdrängten; er nahm die pol- 
nischen Regimenter, die unter Napoleon gefochten, sofort in seinen Dienst 
und schickte sie unter dem Banner des weißen Adlers in die Heimath. 
Auch das russische Heer marschirte alsbald nach dem Friedensschlusse 
eilig nach Polen zurück; zugleich trafen die Reserven aus dem Osten des 
Reiches in Warschau ein. Während des Sommers versammelte sich am
	        
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