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italien und der Verstärkung der Niederlande zugestimmt. Ein nachträg-
licher Widerspruch war ein Lufthieb, konnte höchstens bewirken, daß die
Artikel über Italien und Holland aus den Friedensurkunden wegblieben.
Damit ward Preußens Stellung nicht gebessert, nur das Mißtrauen der
Alliirten verschärft.
Für jetzt war schlechterdings nichts zu erreichen. Preußen unterzeich-
nete am 31. Mai mit den drei verbündeten Höfen ein Protokoll, das die
Entscheidung aller noch streitigen Gebietsfragen auf den Congreß verwies.
Bis dahin sollten Würzburg und Aschaffenburg durch Baiern, das Her-
zogthum Berg und die Lande zwischen Maas und Mosel durch Preußen,
die Striche südlich der Mosel durch Baiern und Oesterreich, die belgischen
Lande durch England und Holland verwaltet werden; Mainz aber erhielt
eine gemischte Garnison von Preußen und Oesterreichern, ausdrücklich da-
mit die Entscheidung frei bliebe. Hardenberg hatte bei seiner Niederlage
nur den einen Trost, daß sein gefährlichster Gegner, Frankreich, bei der
Gebietsvertheilung nicht mitwirken sollte. Aber die praktische Bedeutung
dieser Bestimmung hing offenbar lediglich von der Eintracht der Verbün-
deten ab. Verständigten sie sich nicht unter sich, so mußte ein Staat von
der Macht und den weitverzweigten Verbindungen Frankreichs, wenn er
einmal an dem Congresse theilnahm, unausbleiblich auch in die Gebiets-
streitigkeiten hineingezogen werden, ja er konnte vielleicht allen Verabre-
dungen zum Trotz das entscheidende Wort sprechen. Dies ward auch schon
in Paris dunkel geahnt. Czar Alexander und Stein erfuhren bald von
einem verdächtigen geheimen Verkehre zwischen Talleyrand, Metternich und
Castlereagh; man fühlte, wie die Coalition sich lockerte, wie England und
Oesterreich nach Bundesgenossen suchten um die preußisch-russischen Pläne
zu vereiteln.
Während also Preußens unversöhnlichster Feind von einigen der
verbündeten Mächte umworben wurde, begann zugleich die Freundschaft
zwischen dem preußischen und dem russischen Cabinet bedenklich zu erkalten.
Schon die wohlfeile Großmuth des Czaren hatte den Staatskanzler tief
verstimmt, und jetzt wurde auch von dem Plane der Wiederherstellung
Polens Einiges ruchbar. Man vernahm, wie der Czar im Hotel Talley-
rand begeistert von Polens Freiheit sprach; der kluge Franzose bedurfte
noch der russischen Gunst für die Abwicklung der Friedensverhandlungen und
bestärkte den kaiserlichen Gast durch harmlose zustimmende Bemerkungen
in seiner Schwärmerei. Alexander besuchte mehrmals die Festlichkeiten der
polnischen Emigranten, die ihn huldigend umdrängten; er nahm die pol-
nischen Regimenter, die unter Napoleon gefochten, sofort in seinen Dienst
und schickte sie unter dem Banner des weißen Adlers in die Heimath.
Auch das russische Heer marschirte alsbald nach dem Friedensschlusse
eilig nach Polen zurück; zugleich trafen die Reserven aus dem Osten des
Reiches in Warschau ein. Während des Sommers versammelte sich am