Der Friedensschluß. 571
Bug und Narew eine Truppenmasse doppelt so stark als das Heer, das
der Czar gegen Frankreich in's Feld geführt; die Generale drohten laut,
sie wollten doch sehen, wer einer solchen Kriegsmacht das eroberte Polen
entreißen würde. Man hörte, daß der Czar unter seiner polnischen Krone
fast das gesammte Herzogthum Warschau und vielleicht auch Litthauen
zu vereinigen hoffe; nur ein kleiner Strich Landes in der Nähe Krakaus,
doch ohne diese Stadt, sollte an Oesterreich, nur Posen bis zur Prosna,
aber ohne das altdeutsche Thorn, sollte an Preußen abgetreten werden.
Dabei vermied Alexander nach wie vor jede offene Erklärung über die
polnische Sache. Es war nur menschlich, daß Hardenberg durch dies
hinterlistige Verfahren des überschwänglich zärtlichen Freundes tief er—
bittert wurde und jetzt den Einflüsterungen der englisch-österreichischen
Diplomaten sein Ohr lieh. Gleichwohl forderte die schwer bedrängte Lage
des Staates gebieterisch, solche Empfindlichkeit zu unterdrücken und eine
Verständigung mit dem Czaren zu suchen; denn wer anders als Rußland
konnte die Forderungen Preußens ehrlich unterstützen?
Die Friedensurkunde, am 30. Mai unterzeichnet, enthielt über die
Vertheilung der Eroberungen nur einige kurze Sätze, das Wenige worüber
man sich verständigt hatte: die Länder des linken Rheinufers sollten zur
Entschädigung für Holland, Preußen und andere deutsche Staaten ver—
wendet, Oesterreichs italienischer Besitz im Westen durch den Tessin und
den Langen See begrenzt, das Gebiet der alten Republik Genua mit dem
wiederhergestellten Königreich Sardinien vereinigt werden. Die anderen
Fragen blieben sämmtlich offen. Oesterreich sah also doch nicht alle seine
ausschweifenden italienischen Hoffnungen erfüllt. Den Kirchenstaat über—
ging der Friedensvertrag mit Stillschweigen; aber da der Papst soeben,
am 24. Mai, in der ewigen Stadt wieder einzog und die romantisch
aufgeregte Welt ihn überall mit Entzücken begrüßte, so war bereits sicher,
daß er mindestens einen Theil seines Landes zurück erlangen würde. Auch
die Auslieferung von Genua an den alten Nebenbuhler Piemont war für
die Hofburg ein schwerer Schlag; England hatte die Stadt soeben erobert
und erklärte sich unbedenklich bereit sie an König Victor Emanuel dahin-
zugeben, weil man ihn für die Abtretung von Savoyen entschädigen mußte.
Rußland ergriff, seinen alten Ueberlieferungen getreu, die Partei der Pie-
montesen, und auch Frankreich erwies sich ihnen günstig; denn Talleyrand
erkannte, scharfsinniger als die Diplomaten der Coalition, daß die Ver-
stärkung der Zwischenstaaten für Frankreich eher vortheilhaft als gefähr-
lich war. Wie er gegen die Bildung des Königsreichs der Vereinigten
Niederlande nichts einzuwenden hatte, so suchte er auch das Polsterkissen,
das im Süden die Gebiete Oesterreichs und Frankreichs auseinander
halten sollte, möglichst zu verstärken. Dem vereinigten Widerspruche dieser
drei Mächte mußte Oesterreich nachgeben. Kaiser Franz ertrug die halbe
Niederlage sehr unwirsch; auf den Besitz des Kirchenstaates hatte er be-