Die Heimkehr. 573
festung Mainz spreche, und fragte, ob denn das Elend der alten Reichs—
festungen wiederkehren solle. „Welche Sicherheit für uns,“ fuhr er fort,
„und welche traurige Aussicht, wenn die Krautfürsten trotzen und wir —
nachgeben! Wenn wir nicht in demselben Verhältniß vergrößert werden
als Oesterreich und Rußland, wenn wir uns von dem österreichischen
Systeme der Familien-Apanage täuschen und Mainz und Jülich entreißen
lassen, so kann es die Nation, die so viel gethan hat, nicht vergeben."“
Besser ein neuer Krieg als eine große Enttäuschung!?) —
Der Masse des Volkes blieben solche Befürchtungen fern, ob auch
einzelne denkende Patrioten über den faulen Frieden klagten. Den ganzen
Sommer über lag der helle Sonnenschein dankbarer Freude über den
altpreußischen Landen. Was hatte dies Volk gelitten! Vor wenigen Mo-
naten erst hatte die Hauptstadt den Donner der Schlacht dicht vor ihren
Mauern gehört, verwüstet lagen die Felder, kahl und schmucklos die
Zimmer, kaum ein Haus das nicht den Tod eines Sohnes, eines Bruders
betrauerte, und nun war das Höchste doch gelungen, das wälsche Babel
war gebändigt, das den Daheimgebliebenen ganz unerreichbar, ganz aus
der Welt zu liegen schien. Es war der Wunder genug für ein kurzes
Jahr; wer hätte klagen mögen? So glückliche Stunden hatte Berlin seit
Friedrich's Zeiten nicht mehr erlebt, wie an jenem sonnigen Apriltage, da
der Flügeladjutant Graf Schwerin die erste Nachricht von der Schlacht
vor Paris überbrachte. Nach dem alten fridericianischen Brauche ritt der
Curier mit einem Geschwader blasender Postillone zum Potsdamer Thore
ein; dann die Wilhelmsstraße hinunter, vorbei an dem Dönhoff'schen
Hause, wo seine schöne junge Frau im Fenster lag und vor Wonne fast
vergehen wollte. Dann die Linden entlang zum Gouverneur, dem alten
Lestocq; der alte Herr hatte dem Heere nicht mehr folgen dürfen und
pries mit neidloser Freude die Jungen, die so viel glücklicher gewesen als
er selber einst bei Eylau. Dann weiter zu den Palästen der Prinzessinnen
und der Minister. Ueberall dicht gedrängte jauchzende Massen, überall
der Ruf: „der Curier, der Curier! Paris ist über!“ — und nachher hieß
es wieder: „das ist ja der Graf Schwerin," denn in diesen unschuldigen
Tagen kannte man einander noch. Nur Einer nahm an dem Jubel dieses
großen Berliner Familienfestes nicht theil: der böse alte Feldmarschall
Kalckreuth, Tilsiter Andenkens; der war ein verstockter Franzose geblieben
und ließ seinen Aerger aus durch frivole Späßchen wider das neue Teu-
tonenthum. Ein zweiter großer Freudentag kam im Juli. Ganz Berlin
war auf den Beinen, Tausende harrten stundenlang in der warmen Som-
mernacht draußen im Thiergarten, bis endlich unter dem Hurrahruf der
Menge ein riesiger Lastwagen herankam, wohl von zwanzig Rossen müh-
sam gezogen; obenauf stand ein großer Holzkasten, über und über bedeckt
*) Gneisenau an Hardenberg, 18. Mai. Müffling an Gneisenau, 17. Mai 1814.