Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

576 I. 5. Ende der Kriegszeit. 
reden hatte!l Mit dem lauten Ausrufe „I hate Orange“ wies sie vor 
versammeltem Hofe eine Schale voll Apfelsinen zurück, sie wollte England 
nicht verlassen. Das Verlöbniß mußte aufgelöst werden. Der Welfe aber 
schäumte vor Grimm. Er glaubte zu wissen, daß Alexander's Schwester, 
die geistreiche Großfürstin Katharina, seine Tochter aufgestiftet habe.) 
fand die Anmaßung der Russen ganz unerträglich und bot dem öster- 
reichischen Minister geradezu eine geheime Allianz gegen den Czaren an, 
wie Humboldt bald darauf durch Metternich selbst erfuhr.) 
Auf der Rückreise besuchte der König seine wiedergewonnenen Neuf- 
chateller, und die allgemeine ungeheuchelte Freude des treuen Völkchens 
zeigte, wie fest unter einem wohlwollenden Regimente selbst eine unna- 
türliche politische Verbindung sich einwurzeln kann. Zu Anfang August 
kehrte er in die Mark zurück. Unterdeß zogen auch die Truppen heim. 
Dem alten Blücher gönnten seine dankbaren Landsleute keine Erholung 
von den englischen Jubelstrapazen; fast in jeder Stadt mußte er zum 
Volke reden, immer fröhlich und hochgemuth; aber auch fromm und tief 
bescheiden. Gott allein gab er die Ehre, die neue Fürstenwürde merkte 
ihm Niemand an, und das Wörtchen „mir“ bestrafte er als ein echter 
Niederdeutscher noch immer mit stiller Verachtung. Neuer Jubel in der 
Hauptstadt, als die Berliner Landwehr heimkehrte; die Massen ließen sich 
nicht halten, die Bataillone brachen auseinander, die Frauen stürzten 
den Gatten in die Arme, die Jungen trugen den VBätern die Flinten und 
so wogte der lange Zug dahin, die Wehrmänner ganz mit Kränzen über- 
deckt, Soldaten und Bürger, Männer und Frauen in krausem Durch- 
einander — recht eigentlich ein Volk in Waffen. Nur der König war 
unzufrieden, in Sachen des Parademarsches verstand er keinen Scherz. 
Am 7. August endlich feierlicher Einmarsch der Armee, ein wenig gestört 
durch die Bescheidenheit Friedrich Wilhelm's. Der Rücksichtsvolle hatte 
nicht nur, wie billig, den gefangenen Friedrich August schleunigst nach 
dem benachbarten Friedrichsfelde übersiedeln lassen um ihm den kränken- 
den Anblick des Siegesfestes zu ersparen; sein demüthiger Sinn nahm 
sogar Anstoß an den von Schinkel aufgestellten Siegessäulen und Tro- 
phäen, er wollte jede Beleidigung des geschlagenen Feindes vermeiden, 
und noch in der Nacht mußten die französischen Fahnen und Waffen 
unter dicken Kränzen verhüllt werden. — 
Während also im preußischen Volke die Freude hohe Wellen schlug, 
gestalteten sich die Aussichten für den Congreß täglich trüber. Der König 
fühlte mit seinem Sinne für das Wirkliche rasch heraus, daß sein Freund 
in Wien keineswegs gesonnen war mit ihm die Herrschaft in Deutschland 
zu theilen; „mich will man“, sagte er bitter, „zum Regierungsrath des 
  
*) Hardenberg's Tagebuch, 29. Juni 1814. 
**) Humboldt's Bericht an den König, Wien, 20. August 1814.
	        
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