Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Metternich beantragt die Theilung Sachsens. 647 
Klarheit ausgesprochen, seitdem allen edleren Deutschen in Fleisch und 
Blut gedrungen sind. Er zeigt, daß ein großes seiner Einheit bewußtes 
Volk den Abfall von der Sache der Nation auch dann als Felonie be— 
strafen darf, wenn der Verräther kein geschriebenes Recht verletzt hat; „die 
Gemeinschaft der Nationalität ist höher als die Staatsverhältnisse, welche 
die verschiedenen Völker eines Stammes vereinigen oder trennen.“ Als— 
dann sagt er mit der Sicherheit des Sehers voraus, daß die Tage der 
deutschen Kleinstaaterei gezählt sind: schwache Gemeinwesen, die sich nicht 
durch eigene Kraft behaupten können, „hören auf Staaten zu sein.“ Zu 
solchem Urtheile gelangte der conservative Denker, da er ein Jahr nach 
der Schlacht von Leipzig das deutsche Kleinfürstenthum wieder den Fahnen 
Frankreichs folgen sah. In dem vertrauten Briefwechsel der preußischen 
Diplomatie sprach sich der Unmuth über den wiederauflebenden Particu— 
larismus noch weit schärfer aus. „Die nämlichen Menschen“ — schrieb 
Alopeus an Humboldt — „die nach der Schlacht von Leipzig ausriefen: 
ihm geschieht recht, bemitleiden jetzt den frommen König; und die Bour— 
bonen, die im Junimonat vollauf zu thun hatten, sich selbst zu erhalten, 
haben es jetzt so weit gebracht, daß sie sich um die Erhaltung Anderer 
kräftig verwenden können. Freilich empört sich das Gefühl, wenn man 
es ansehen muß, daß der nämliche deutsche Kaiser, der von seinen Vasallen 
schändlicherweise verlassen wurde, jetzt diese mit dem Verbrechen des Hoch- 
verraths und der Felonie beschmutzten Vasallen schaarenweise in der 
Kaiserstadt mit allen den Souveränen gebührenden Ehrenbezeigungen auf- 
nimmt. Man frägt sich, welches der Endzweck einer solchen nicht von 
der Nothwendigkeit gebotenen Herablassung sein kann.“ — 
Auf den Gang der Congreßverhandlungen übten natürlich weder 
solche Zornworte noch Niebuhr's und Hoffmann's Vernunftgründe irgend 
einen Einfluß. Oesterreich hatte gehofft, mit England und Preußen ver- 
eint den Czaren in die Enge zu treiben und dann über Preußens Kopf 
hinweg sich mit Rußland zu verständigen. Nun war dieser Plan durch 
das Eingreifen des Königs vereitelt, und sofort änderte Metternich seine 
Taktik. Auch ihm, wie den Franzosen, war die sächsische Frage ungleich 
wichtiger als die Zukunft Polens. Schon am 11. November, in einem 
Gespräche mit Castlereagh und Hardenberg, nahm er das dem Staats- 
kanzler gegebene Versprechen zurück und erklärte: der allgemeine Wider- 
stand gegen die Einverleibung Sachsens sei unüberwindlich, mindestens 
Dresden und der südliche Theil des Landes müßten dem gefangenen Fürsten 
wieder zufallen. So wurde der Gedanke der Theilung Sachsens, welchen 
Stadion schon im Sommer den Unterhändlern Friedrich August's ange- 
deutet hatte, endlich als das Ziel der österreichischen Politik ausgesprochen. 
Die willkürliche Zerreißung des alten sächsischen Gemeinwesens, die Zer- 
störung seines altgewohnten Verkehrs durch neue Zolllinien erregte der 
Hofburg kein Bedenken. Ihre Absicht war lediglich, das ergebene alber-
	        
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