Der siebenjährige Krieg. 59
sinnlos boshafte Laune eines tückischen Schicksals, wie ein Trauerspiel ohne
Gerechtigkeit und Abschluß. Dennoch lag ein ungeheurer Erfolg in dem
Ergebniß des scheinbar so unfruchtbaren Kampfes: die neue Ordnung der
deutschen Dinge, die mit der Begründung der preußischen Macht begonnen,
hatte sich in der denkbar schwersten Prüfung als eine unwiderrufliche Noth-
wendigkeit erwiesen. Hundert Jahre zuvor vermochte Deutschland nur
durch die Kämpfe eines vollen Menschenalters sich der habsburgischen
Herrschaft zu erwehren und mußte dann ausländischen Bundesgenossen
schmählichen Helferlohn zahlen; jetzt genügten den ärmsten Gebieten des
Reichs sieben Jahre um den Ansturm einer Welt in Waffen abzuschlagen,
und deutsche Kraft allein entschied den Sieg, denn die einzige fremde
Macht, die dem Könige zur Seite stand, gab ihn treulos preis. Deutsch-
lands Stern war wieder im Aufsteigen; es galt den Deutschen was in
allen Kirchen Preußens frohlockend gebetet ward: „Sie haben mich oft
bedränget von meiner Jugend auf, aber sie haben mich nicht übermocht."“
Beim Beginne des zweiten Feldzugs hat Friedrich die stolze Hoffnung
gehegt, die Schlacht von Pharsalus gegen das Haus Oesterreich zu schlagen
und vor den Mauern Wiens den Frieden zu dictiren, wie denn diese
reiche Zeit überall die ersten Keime der großen Neubildungen einer fernen
Zukunft erkennen läßt und auch ein Bund Preußens mit Oesterreichs
anderem Nebenbuhler, mit Piemont, schon versucht wurde. Dann warf
die Schlacht von Kollin den König in die Vertheidigung zurück, er kämpfte
nur noch für das Dasein des Staates. Was er versuchte um einen
Gegen-Reichstag zu berufen, eine norddeutsche Union der kaiserlichen Liga
entgegenzustellen, ward zu nichte an der unbesieglichen Eifersucht der kleinen
Höfe und vornehmlich an dem hochmüthigen Widerwillen des welfischen
Bundesgenossen. Für die Beseitigung des deutschen Dualismus, für einen
Neubau des Reichs war die Stunde noch immer nicht gekommen; aber
durch die furchtbare Wahrhaftigkeit dieses Krieges wurden die verlebten
alten Formen des deutschen Gemeinwesens sittlich vernichtet, der letzte
Schleier hinweggerissen von der großen Lüge des heiligen Reichs. So
hirnlos hatte noch nie ein Kaiser an dem Vaterlande gefrevelt, wie dieser
lothringische Mehrer des Reichs, der alle Thore Deutschlands den fremden
Plünderern aufthat, die Niederlande den Bourbonen, die Ostmarken den
Moskowitern preisgab. Und derweil der Kaiser seinen Eid mit Füßen
trat, seinem Hause jedes Anrecht auf die deutsche Krone verwirkte, spielte
zu Regensburg die freche Posse des reichsrechtlichen Strafverfahrens. Der
Reichstag rief dem Eroberer Schlesiens sein „darnach hat Er, Kurfürst,
Sich zu richten“ zu, der brandenburgische Gesandte warf den Boten der
erlauchten Versammlung die Treppe hinunter, die elihlende Reichsarmee
sammelte sich unter den Fahnen des bourbonischen Reichsfeindes um so-
fort vor Seydlitz's Reitergeschwadern wie Spren im Winde zu zerstieben.
Die deutsche Nation aber feierte mit hellem Jubel den Sieger von Roß-