Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Der siebenjährige Krieg. 59 
sinnlos boshafte Laune eines tückischen Schicksals, wie ein Trauerspiel ohne 
Gerechtigkeit und Abschluß. Dennoch lag ein ungeheurer Erfolg in dem 
Ergebniß des scheinbar so unfruchtbaren Kampfes: die neue Ordnung der 
deutschen Dinge, die mit der Begründung der preußischen Macht begonnen, 
hatte sich in der denkbar schwersten Prüfung als eine unwiderrufliche Noth- 
wendigkeit erwiesen. Hundert Jahre zuvor vermochte Deutschland nur 
durch die Kämpfe eines vollen Menschenalters sich der habsburgischen 
Herrschaft zu erwehren und mußte dann ausländischen Bundesgenossen 
schmählichen Helferlohn zahlen; jetzt genügten den ärmsten Gebieten des 
Reichs sieben Jahre um den Ansturm einer Welt in Waffen abzuschlagen, 
und deutsche Kraft allein entschied den Sieg, denn die einzige fremde 
Macht, die dem Könige zur Seite stand, gab ihn treulos preis. Deutsch- 
lands Stern war wieder im Aufsteigen; es galt den Deutschen was in 
allen Kirchen Preußens frohlockend gebetet ward: „Sie haben mich oft 
bedränget von meiner Jugend auf, aber sie haben mich nicht übermocht."“ 
Beim Beginne des zweiten Feldzugs hat Friedrich die stolze Hoffnung 
gehegt, die Schlacht von Pharsalus gegen das Haus Oesterreich zu schlagen 
und vor den Mauern Wiens den Frieden zu dictiren, wie denn diese 
reiche Zeit überall die ersten Keime der großen Neubildungen einer fernen 
Zukunft erkennen läßt und auch ein Bund Preußens mit Oesterreichs 
anderem Nebenbuhler, mit Piemont, schon versucht wurde. Dann warf 
die Schlacht von Kollin den König in die Vertheidigung zurück, er kämpfte 
nur noch für das Dasein des Staates. Was er versuchte um einen 
Gegen-Reichstag zu berufen, eine norddeutsche Union der kaiserlichen Liga 
entgegenzustellen, ward zu nichte an der unbesieglichen Eifersucht der kleinen 
Höfe und vornehmlich an dem hochmüthigen Widerwillen des welfischen 
Bundesgenossen. Für die Beseitigung des deutschen Dualismus, für einen 
Neubau des Reichs war die Stunde noch immer nicht gekommen; aber 
durch die furchtbare Wahrhaftigkeit dieses Krieges wurden die verlebten 
alten Formen des deutschen Gemeinwesens sittlich vernichtet, der letzte 
Schleier hinweggerissen von der großen Lüge des heiligen Reichs. So 
hirnlos hatte noch nie ein Kaiser an dem Vaterlande gefrevelt, wie dieser 
lothringische Mehrer des Reichs, der alle Thore Deutschlands den fremden 
Plünderern aufthat, die Niederlande den Bourbonen, die Ostmarken den 
Moskowitern preisgab. Und derweil der Kaiser seinen Eid mit Füßen 
trat, seinem Hause jedes Anrecht auf die deutsche Krone verwirkte, spielte 
zu Regensburg die freche Posse des reichsrechtlichen Strafverfahrens. Der 
Reichstag rief dem Eroberer Schlesiens sein „darnach hat Er, Kurfürst, 
Sich zu richten“ zu, der brandenburgische Gesandte warf den Boten der 
erlauchten Versammlung die Treppe hinunter, die elihlende Reichsarmee 
sammelte sich unter den Fahnen des bourbonischen Reichsfeindes um so- 
fort vor Seydlitz's Reitergeschwadern wie Spren im Winde zu zerstieben. 
Die deutsche Nation aber feierte mit hellem Jubel den Sieger von Roß-
	        
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