Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Baiern droht auszutreten. 707 
lischen die Aufrechterhaltung ihrer alten Rechte verhieß. Die Mehrheit 
stimmte zu. Aber Baiern widersprach, und mit solchem Eifer, daß Hein— 
rich Wessenberg alle Hoffnung aufgab. Am 3. Juni schrieb er dem 
Staatskanzler*): da „die Kirchensachen in Deutschland noch immer in 
einem beispiellosen Zustande von Verlassenheit sich befänden“ und der 
Congreß sich mit den Einzelheiten nicht habe beschäftigen können, so er— 
laube er sich vorzuschlagen, daß die betheiligten Souveräne, die Fürsten 
mit katholischen Unterthanen, binnen zwei Monaten Abgeordnete nach 
Frankfurt senden möchten. Dort in Frankfurt, auf freien Conferenzen, 
welche dem bairischen Dünkel doch unmöglich gefährlich erscheinen konnten, 
dachte der Unermüdliche seine Nationalkirche doch noch durchzusetzen. 
Mittlerweile war selbst Oesterreich zu der Einsicht gelangt, daß man 
ein Ende machen mußte. Gingen die Verhandlungen so weiter, so konnte 
zuletzt sogar von dem österreichischen Entwurfe nichts mehr übrig bleiben. 
Metternich eröffnete also der Conferenz am 5. Juni — was er schon 
mehrmals angekündigt, aber aus Rücksicht auf die Gefühle der Rhein- 
bundshöfe noch nicht ausgeführt hatte —: die Bundesacte habe nunmehr 
eine Fassung erhalten, welche der Ansicht der meisten Höfe zu entsprechen 
scheine; er erkläre hiermit Oesterreichs Beitritt zum Deutschen Bunde, 
auf Grund der beschlossenen Verfassungs-Grundzüge, und bitte die anderen 
Staaten das Gleiche zu thun. Er sagte jedoch keineswegs, wie Preußen 
verlangt hatte, daß der Bund auch ohne den Beitritt Aller zu Stande 
kommen werde, sondern stellte Jedem frei zu thun und zu lassen was 
ihm beliebe. Darauf traten auch Preußen, Hannover, Dänemark, Luxem- 
burg und einige Kleine bei. Die Meisten gaben nachher wehmüthige 
schriftliche Erklärungen hinzu. Preußen fügte sich nur, weil es immer 
noch besser sei „einen unvollkommenen Bund zu schließen als gar keinen“, 
desgleichen Hannover nur weil es „wünschenswerther scheine einen un- 
vollkommenen Deutschen Bund als keinen einzugehen“; Luxemburg schloß 
„ein Band, das Zeit, Erfahrung und steigendes Zutrauen erst bessern 
müssen“ — und was der Klagen mehr war. Aber welch ein Aufruhr 
in der Versammlung, als Graf Rechberg jetzt trocken erklärte, er sehe sich 
genöthigt den Beitritt Baierns in diesem Augenblicke noch vorzubehalten! 
Er machte dann noch einige ernste, geheimnißvolle Andeutungen, woraus 
Jedermann schließen mußte, der Münchener Hof versage sich dem Bunde. 
Die Bestürzung war allgemein, und zu allem Unglück beging der gute 
Gagern noch eine folgenschwere Thorheit. Ohne reichspatriotische Phrasen 
ging es bei ihm niemals ab; daher fügte er, indem er den Beitritt 
Luxemburgs erklärte, noch die Bedingung hinzu: der Bund müsse das 
ganze Deutschland umfassen. Nassau schloß sich wie immer den oranischen 
Vettern an. Gagern's Vorbehalt entsprang allerdings zum Theil einer 
  
*) Wessenberg's Denkschrift an Hardenberg, 3. Juni 1815. 
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