Kriegsplan der Coalition. 725
in den Niederlanden dachte man, wie vor zwei Jahren der schlesischen,
die bescheidene Rolle eines Hilfscorps zu, und wieder wie damals sollte
der Gang der Ereignisse aller Voraussicht spotten.
Mit den Berathungen über den Kriegsplan verband sich ein lebhafter
Streit über die Vertheilung der kleinen deutschen Contingente. Die Höfe
der Mittelstaaten hielten es allesammt für ein Gebot kleinköniglicher Ehre,
ihre Truppen lieber unter fremden als unter preußischen Oberbefehl zu
stellen. Graf Münster meinte die Stunde gekommen um sein altes Ideal,
die englisch-hannoversche Hegemonie in Norddeutschland zu verwirklichen,
und warnte die kleinen Nachbarn dringend vor dem Anschluß an Preußen.
In der That wurden außer den Niederländern auch die Hannoveraner,
Sachsen, Nassauer und Braunschweiger dem englischen Heere Wellington's
zugetheilt; nur ein kleines norddeutsches Bundesarmeecorps, zumeist aus
Kurhessen bestehend, trat unter preußischen Befehl. Die süddeutschen
Truppen zogen zu den Oesterreichern und Russen am Ober= und Mittel-
rhein, so daß sich auch diesmal ein Gefühl nationaler Waffengemeinschaft
nicht bilden konnte.
Napoleon's Heer war das beste, das er je in's Feld geführt. Die aus
der Kriegsgefangenschaft und den deutschen Festungen heimgekehrten Ve-
teranen bildeten den Stamm seiner Regimenter. Mit abgöttischer Ver-
ehrung blickte der gemeine Mann auf seinen kleinen Corporal; noch nie-
mals war die Mannschaft so ganz durchglüht gewesen von Praetorianerstolz
und leidenschaftlicher Kampflust. Aber ihren Generalen trauten sie nicht
über den Weg, da ein Theil der Marschälle den Bourbonen treu geblieben
war; und kehrte das Glück dem Imperator den Rücken, so stand von
diesen tapferen Graubärten, die allesammt ihren Fahneneid gebrochen
hatten und von den Bourbonen das Aergste befürchten mußten, wenig sitt-
liche Widerstandskraft zu erwarten.
Wie anders die Stimmungen im preußischen Heere! Als der König
in einem kräftigen Aufrufe seinen Preußen sagte: „Europa kann den Mann
auf Frankreichs Thron nicht dulden, der die Weltherrschaft als den Zweck
seiner stets erneuerten Kriege laut verkündigte“ — da fand er überall in
dem treuen Volke williges Verständniß. Abermals wie vor zwei Jahren
eilte die Jugend zu den Waffen, der Landsturm und die Detachements
der freiwilligen Jäger wurden von Neuem errichtet und abermals be-
seelte die Kämpfer der feste Entschluß, daß dieser heilige Krieg nicht
anders enden dürfe als mit einem ganzen und vollen Siege. Das von
den ungeheuren Anstrengungen der jüngsten Jahre noch ganz erschöpfte
Preußen stellte wiederum 250,000 Mann unter die Fahnen; auch die
kleinen norddeutschen Nachbarn zeigten diesmal regeren Eifer, stellten
etwa 70,000 Mann. An kriegerischer Erfahrung und Sicherheit kam das
Volksheer freilich dem Feinde nicht gleich. Die Armee befand sich gerade
in einem gefährlichen Uebergangszustande als der unerwartete Kriegsruf