Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Nachspiele der sächsischen Händel. 735 
lichen Erbärmlichkeit, als eine lästige Störung, die man um jeden Preis 
aus der Welt schaffen mußte. Preußen erlebte die Genugthuung, daß alle 
die völkerrechtlichen Grundsätze, welche Hardenberg bisher unter dem Zeter— 
geschrei des entrüsteten „Europas“ vertheidigt hatte, nunmehr von Oester— 
reich, England und Frankreich förmlich anerkannt wurden. Einstimmig 
erklärten die Mächte: da eine Eroberung des ganzen Landes, eine debel- 
latio vorliegt, so ist ein Friedensschluß mit dem entthronten Fürsten 
rechtlich nicht geboten; nur aus freiem Willen sind die Eroberer bereit 
die eine Hälfte des Landes an Friedrich August zurückzugeben, wenn er 
zuvor die Bewohner der anderen Hälfte ihres Eides entbunden und sich 
den Wiener Beschlüssen unterworfen hat; bis dahin verbleibt die Ver- 
waltung des ganzen Landes in Preußens Händen. Mit solchen Aufträgen 
traten am 12. März Metternich, Wellington und Talleyrand vor den 
Wettiner. 
Als er trotzig die Wiederaufnahme der Verhandlungen verlangte, er- 
widerten sie in einer scharfen Note, „er verkenne gänzlich seine Lage.“ 
Talleyrand aber versicherte erhaben: Friedrich August habe „dem grau- 
samsten Feinde Deutschlands“ gedient und verdiene darum keine Scho- 
nung! Das Hin= und Herzerren, das nun begann (von Unterhand- 
lungen kann man kaum reden), erregt höchstens ein pathologisches Interesse. 
Zwei Monate lang hielt der verblendete alte Mann die Mächte hin mit 
Entschädigungsforderungen für Warschau oder die Lausitz, mit Rechts- 
verwahrungen, Formbedenken und tausend armseligen Quälereien. Erst 
am 18. Mai kam der Friede zwischen Preußen und Sachsen zu Stande, 
genau nach den Beschlüssen des Comités der Fünf. An den Hüöfen regte 
sich der Verdacht, Friedrich August suche absichtlich die Verhandlungen hin- 
zuziehen, bis ein neuer Sieg Napoleon's den Albertinern ihre alte Macht 
zurückgäbe. Die Vermuthung lag sehr nahe. Der Dresdner Pöbel, der 
mit blauem wie der mit rothem Blute, jubelte dem rückkehrenden Großen 
Alliirten entgegen; damals wie im Jahre 1866 fand das Ehrgefühl dieser 
Kreise seinen getreuen Ausdruck in dem Verslein: „Preußischer Kuckuck, 
warte! Uns hilft Bonaparte!“ Der Hof in Preßburg dachte doch anders; 
die Rückkehr der napoleonischen Herrschaft war dem alten Könige in jenem 
Augenblicke unwillkommen, weil sie ihn des Beistandes seiner mächtigen 
Beschützer beraubte. Der mühselige Gang der letzten Verhandlungen 
erklärt sich genugsam aus der legitimistischen Starrheit und der pedan- 
tischen Formenseligkeit des Albertiners. Was verschlug es dem klein- 
königlichen Stolze, wenn die unleidlichen provisorischen Zustände in dem 
armen Lande, das seit anderthalb Jahren nicht mehr zur Ruhe gekommen, 
noch um einige Monate verlängert wurden? 
Derselben Gesinnung begegnete das preußische General-Gouvernement 
bei den sächsischen Beamten. Die obersten Behörden widersetzten sich hart- 
näckig, als die in Folge der Theilung unvermeidliche Absonderung der
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.