Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

748 II. 2. Belle Alliance. 
Ney gegen 2 Uhr mit dem linken Flügel des französischen Heeres be- 
fohlenermaßen auf der Brüsseler Straße nordwärts gegen Quatrebras 
vorging, mußte er bald erfahren, daß die englische Macht ihm gegenüber 
weit stärker war als Napoleon angenommen. Der niederländische General 
Perponcher war mit seiner Division, da er die Bedeutung der Stellung 
richtig erkannte, eigenmächtig, gegen Wellington's Befehl, bei Quatrebras 
stehen geblieben") und mußte jetzt den ersten Angriff abwehren. Zu Anfang 
des Gefechts war Ney den 7000 Nassauern und Niederländern, die hier 
standen, um reichlich das Doppelte überlegen, und da er überdies sein Fuß- 
volk durch den Wald von Bossu, der links vor seiner Fronte lag, unbe- 
merkt dicht an den Gegner heranschieben konnte, so geriethen die Alliirten 
eine Zeit lang in ernste Bedrängniß und waren bereits nahe daran den 
wichtigen Kreuzungspunkt zu räumen. Da kamen zwischen 3 und 4 Uhr 
— mehrere Stunden später als Wellington gerechnet hatte — die ersten 
Regimenter der Reserve von Brüssel heran: eine englische Division unter 
General Picton, dann Herzog Wilhelm mit seinen schwarzen Braunschwei- 
gern. Ihnen gelang, das Gefecht auf dem linken Flügel wieder herzu- 
stellen, und sie drangen schon über Quatrebras hinaus, als ein mächtiger 
Reiterangriff der Franzosen sie in Verwirrung zurückschleuderte. Welling- 
ton entging selbst nur durch die Schnelligkeit seines Rosses dem Tode. Der 
tapfere Welfe aber ward inmitten seines Leibbataillons von der tödlichen 
Kugel getroffen. Er starb zur rechten Zeit für seinen Ruhm; denn nun 
lebte er fort im Gedächtniß seines treuen Volkes als ein Held der Na- 
tion, als der Führer der schwarzen Schaar, und jene häßlichen Züge wel- 
sischer Härte und Ueberhebung, die sich während der kurzen Monate seiner 
Regierung dem braunschweigischen Ländchen schon sehr fühlbar gemacht 
hatten, wurden gern vergessen. 
In diesem gefährlichen Augenblicke trafen die englischen und hanno- 
verschen Regimenter des Generals Alten auf dem rechten Flügel der Ver- 
bündeten ein; mehr als diese schwache Division wollte Wellington nicht 
von Nivelles heranziehen, da ihn noch immer der Wahn beherrschte, Na- 
poleon werde eine Umgehung im Westen versuchen. Die Division Alten 
begann sich in dem Walde von Bossu auszubreiten, und mit ihrer Hilfe 
wurde Ney's zweiter Angriff abgeschlagen. Marschall Ney hoffte längst 
nicht mehr, nach Ueberwältigung der englischen Streitkräfte sich auf das 
Schlachtfeld von Ligny wenden zu können; genug wenn ihm nur gelang 
den Gegner hier von der Brüsseler Straße zu verdrängen. Der sonst 
allen Anderen durch unbekümmerten Soldatenmuth voranleuchtete, zeigte 
sich in diesem Feldzuge immer fieberisch unruhig; die Erinnerung an den 
Eidbruch der jüngsten Wochen, die Furcht vor einer schmachvollen Zukunft 
quälte ihn sichtlich. In leidenschaftlicher Erregung beschwor er seinen 
*) Die Wichtigkeit dieses tapferen Entschlusses wurde von Gneisenau anerkannt 
in einem Schreiben an den König vom 12. Juni 1817. 
 
	        
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