Die Verfolgung. 763
Füsilieren, die noch aushielten. Wie viele Schaaren der Franzosen sind
dann noch vor dem Klange dieser einzigen Trommel auseinandergelaufen!
Die Straße war übersäet mit Waffen, Tornistern und allerhand Getrümmer,
wie einst der Weg von Roßbach nach Erfurt. Beim Morgengrauen ward
das Schlachtfeld von Quatrebras erreicht, aber erst jenseits, in Frasnes,
nach Sonnenaufgang hielten die erschöpften Verfolger ein. Sie hatten die
Zerrüttung des feindlichen Heeres so bis zur völligen Auflösung gesteigert,
daß sich von den Kämpfern von Belle Alliance nur 10,000 Mann, lauter
ungeordnete Haufen, nachher in Paris wieder zusammenfanden.
Mit stolzen Worten dankte Blücher dem unübertrefflichen Heere, das
ermöglicht habe was alle großen Feldherren bisher für unmöglich gehalten
hätten: „So lange es Geschichte giebt wird sie Euer gedenken. Auf Cuch,
ihr unerschütterlichen Säulen der preußischen Monarchie, ruht mit Sicher-
heit das Glück Eures Königs und seines Hauses. Nie wird Preußen unter-
gehen, wenn Eure Söhne und Enkel Euch gleichen!“ An Stein schrieb
er einfach: „Ich hoffe, mein verehrter Freund, Sie sind von mich zufrie-
den“ und sprach die Hoffnung aus, seine alten Tage als Stein's Nachbar
„in Ruhe auf's Land zu verleben“. Er befahl, die Schlacht zu neunen
nach dem sinnvollen Namen des Hofes La Belle Alliance, wo die beiden
Sieger, „durch eine anmuthige Gunst des Zufalls" zusammen getroffen
waren — „zum Andenken des zwischen der britischen und preußischen
Nation jetzt bestehenden, von der Natur schon gebotenen Bündnisses, der
Vereinigung der beiden Armeen und der wechselseitigen Zutraulichkeit der
beiden Feldherren.“ Wellington ging auf den schönen Gedanken, der beiden
Völkern die verdiente Ehre gab, nicht ein. Die Schlacht sollte als sein
Sieg erscheinen, darum taufte er sie auf den Namen des Dorfes Waterloo,
wo gar nicht gefochten wurde; denn dort hatte er am 17. Juni über-
nachtet und von Spanien her war er gewohnt die Stätten seiner Siege
mit dem Namen seines letzten Hauptquartiers zu bezeichnen. Während
Gneisenau's Schlachtbericht durchaus ehrlich und bescheiden den wirklichen
Hergang, so weit er schon bekannt war, erzählte, stellte der Herzog in seinem
Berichte die Ereignisse so dar, als ob sein letzter Scheinangriff die Schlacht
entschieden und die Preußen nur eine immerhin dankenswerthe Hilfe ge-
leistet hätten. Zum Glück wurde von solchen Zügen englischer Bundes-
freundschaft vorderhand noch weng ruchbar. Das Verhältniß zwischen
den Soldaten der beiden Heere blieb durchaus freundlich; die tapferen
Hochschotten, die auf dem Schlachtfelde den preußischen Vierundzwanzigern
um den Hals fielen und mit ihnen gemeinsam das Heil Dir im Sieger-
kranzl sangen, fragten wenig, wem das höhere Verdienst gebühre.
In der Heimath hatte die Unglückspost von Ligny große Bestürzung
erregt; man sah schon ein neues Zeitalter unendlicher Kriege emporsteigen.
Um so stürmischer nun die Freude über die Siegesbotschaft. Wie war
doch plötzlich das Machtverhältniß zwischen den beiden Nachbarvölkern