Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Die Verfolgung. 763 
Füsilieren, die noch aushielten. Wie viele Schaaren der Franzosen sind 
dann noch vor dem Klange dieser einzigen Trommel auseinandergelaufen! 
Die Straße war übersäet mit Waffen, Tornistern und allerhand Getrümmer, 
wie einst der Weg von Roßbach nach Erfurt. Beim Morgengrauen ward 
das Schlachtfeld von Quatrebras erreicht, aber erst jenseits, in Frasnes, 
nach Sonnenaufgang hielten die erschöpften Verfolger ein. Sie hatten die 
Zerrüttung des feindlichen Heeres so bis zur völligen Auflösung gesteigert, 
daß sich von den Kämpfern von Belle Alliance nur 10,000 Mann, lauter 
ungeordnete Haufen, nachher in Paris wieder zusammenfanden. 
Mit stolzen Worten dankte Blücher dem unübertrefflichen Heere, das 
ermöglicht habe was alle großen Feldherren bisher für unmöglich gehalten 
hätten: „So lange es Geschichte giebt wird sie Euer gedenken. Auf Cuch, 
ihr unerschütterlichen Säulen der preußischen Monarchie, ruht mit Sicher- 
heit das Glück Eures Königs und seines Hauses. Nie wird Preußen unter- 
gehen, wenn Eure Söhne und Enkel Euch gleichen!“ An Stein schrieb 
er einfach: „Ich hoffe, mein verehrter Freund, Sie sind von mich zufrie- 
den“ und sprach die Hoffnung aus, seine alten Tage als Stein's Nachbar 
„in Ruhe auf's Land zu verleben“. Er befahl, die Schlacht zu neunen 
nach dem sinnvollen Namen des Hofes La Belle Alliance, wo die beiden 
Sieger, „durch eine anmuthige Gunst des Zufalls" zusammen getroffen 
waren — „zum Andenken des zwischen der britischen und preußischen 
Nation jetzt bestehenden, von der Natur schon gebotenen Bündnisses, der 
Vereinigung der beiden Armeen und der wechselseitigen Zutraulichkeit der 
beiden Feldherren.“ Wellington ging auf den schönen Gedanken, der beiden 
Völkern die verdiente Ehre gab, nicht ein. Die Schlacht sollte als sein 
Sieg erscheinen, darum taufte er sie auf den Namen des Dorfes Waterloo, 
wo gar nicht gefochten wurde; denn dort hatte er am 17. Juni über- 
nachtet und von Spanien her war er gewohnt die Stätten seiner Siege 
mit dem Namen seines letzten Hauptquartiers zu bezeichnen. Während 
Gneisenau's Schlachtbericht durchaus ehrlich und bescheiden den wirklichen 
Hergang, so weit er schon bekannt war, erzählte, stellte der Herzog in seinem 
Berichte die Ereignisse so dar, als ob sein letzter Scheinangriff die Schlacht 
entschieden und die Preußen nur eine immerhin dankenswerthe Hilfe ge- 
leistet hätten. Zum Glück wurde von solchen Zügen englischer Bundes- 
freundschaft vorderhand noch weng ruchbar. Das Verhältniß zwischen 
den Soldaten der beiden Heere blieb durchaus freundlich; die tapferen 
Hochschotten, die auf dem Schlachtfelde den preußischen Vierundzwanzigern 
um den Hals fielen und mit ihnen gemeinsam das Heil Dir im Sieger- 
kranzl sangen, fragten wenig, wem das höhere Verdienst gebühre. 
In der Heimath hatte die Unglückspost von Ligny große Bestürzung 
erregt; man sah schon ein neues Zeitalter unendlicher Kriege emporsteigen. 
Um so stürmischer nun die Freude über die Siegesbotschaft. Wie war 
doch plötzlich das Machtverhältniß zwischen den beiden Nachbarvölkern
	        
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