Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

766 II. 2. Belle Alliance. 
Gesandte Pozzo di Borgo unterstützte eifrig die Bestrebungen des englischen 
Feldherrn: ganz auf eigene Faust, denn der Czar selber dachte in jenem 
Augenblicke noch an die Thronbesteigung der Orleans. Pozzo hoffte durch 
Begünstigung der bourbonischen Sache auf Jahre hinaus der mächtigste 
Mann in den Tuilerien zu werden. Ein Theil der besitzenden Klassen 
neigte sich nun doch der Ansicht zu, daß eine neue Restauration der einzig 
mögliche Ausgang der rathlosen Verwirrung und namentlich für Frank- 
reichs europäische Stellung vortheilhaft sei — eine kühle Berechnung, 
die freilich mit den Gefühlen dynastischer Treue nicht das Mindeste 
gemein hatte. 
Der Imperator mußte sogleich erfahren, daß Frankreich für einen 
unglücklichen Napoleon keinen Raum bot. Auf den Rath seiner Um- 
gebung verließ er das Heer, das ihn doch allein stützen konnte, am 
20. Juni und eilte nach Paris; dort sah er sich von aller Welt so gänzlich 
verlassen, daß er bereits nach zwei Tagen zu Gunsten seines Sohnes ab- 
dankte. Die provisorische Regierung, die sich unter Leitung des schlauen 
Fouché gebildet hatte, beachtete die Worte des Gestürzten nicht mehr. Er 
verbrachte dann noch einige Tage voll banger Zweifel in jenem Malmaison, 
wo einst die verstoßene Josephine in ihrer Einsamkeit gelebt hatte, bot 
der Regierung vergeblich seine Dienste als einfacher General an. Endlich 
sah er ein, daß seine Rolle ausgespielt war; der Gedanke, mit Hilfe der 
jacobinischen Föderirten in den Pariser Vorstädten wieder an's Ruder 
zu gelangen, schien dem Despoten zu unmilitärisch. Als die Preußen 
sich näherten, verließ er am 29. Juni das Schloß und eilte an die 
Küste nach Rochefort. Der große Schauspieler schlug nun noch einmal 
seine Toga in malerische Falten, erklärte dem Prinzregenten, er komme 
um wie Themistokles Schutz zu suchen am gastlichen Herde des groß- 
müthigen Feindes, und begab sich am 15. Juli an Bord des englischen 
Kriegsschiffes Bellerophon. Hardenberg erlebte die Genugthuung, daß 
sein so oft wiederholter Vorschlag jetzt von allen Mächten unbedenklich 
gebilligt wurde; es blieb nichts übrig als den unheilvollen Mann fern 
von Europa in sichere Haft zu bringen. Dort auf der einsamen Felsen- 
insel hat der Gefangene mit eigenen Händen eine Strafe über sich ver- 
hängt, wie sie der bitterste Feind nicht grausamer ersinnen konnte. Dies 
titanische Leben nahm ein gaunerhaftes Ende. Mit wüstem Gezänk und 
der gewerbsmäßigen Verbreitung ungeheuerlicher Lügen füllte er seine 
letzten Jahre aus; er selber riß den Schleier hinweg von der bodenlosen 
Gemeinheit des Riesengeistes, der sich einst erdreistet hatte der Welt den 
Fuß auf den Nacken zu setzen. 
Ueber die Behandlung Napoleon's hatten die beiden Feldherren sich 
nur schwer geeinigt. Der Gegensatz der britischen und der deutschen 
Politik brach überall hervor. Wellington wollte die Gefühle der Fran- 
zosen sorgsam schonen, und da er im Herzen völlig kalt blieb, so erkannte
	        
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