778 II. 2. Belle Alliance.
geführt, nur mit Bonaparte, folglich sei das Eroberungsrecht unanwendbar,
wenn man nicht das legitime Königshaus dem Hasse preisgeben und in
den Augen der Nachwelt alle Gräuel der Revolution rechtfertigen wolle.
Darum einfache Wiederherstellung des Pariser Friedens und, für den
Fall einer nochmaligen Revolution, Erneuerung des Bündnisses von Chau—
mont, endlich militärische Besetzung des Landes auf kurze Zeit, bis zur
Abtragung einer Contribution, welche von den Nachbarstaaten Frankreichs
wesentlich zur Anlegung von Grenzfestungen verwendet wird.
Diese Vorschläge schmückten sich mit dem wohllautenden Titel einer
„Combination von moralischen und reellen Garantien“, erregten jedoch
im preußischen Lager lebhafte Entrüstung. Am 4. August schrieb Hum-
boldt dem Staatskanzler: „Der russische Plan ist der verderblichste für
Preußen, der hätte ersonnen werden können. Wenn er befolgt würde,
so zöge Preußen von diesem ganzen Kriege, seinen Verlusten, seinen un-
geheuren Aufopferungen keinen anderen Vortheil als einen Contribu-
tionsantheil, den es noch größtentheils zur Anlegung fester Plätze gegen
Frankreich aufwenden soll. Dagegen hätte es die wichtigen Nachtheile,
die Mittel, die ihm der jetzige Krieg gebracht hätte, nicht auf die Er-
leichterung des erschöpften Landes und die Sicherung seiner östlichen
Grenzen wenden zu können, russische Truppen jahrelang durch seine
Staaten und Deutschland ziehen zu sehen und in allen seinen Verhand-
lungen mit Frankreich noch den Einfluß des russischen Hofes auf seinem
Wege zu finden.“ Wir müssen um jeden Preis die Verbündeten zur
Verengerung der Grenzen Frankreichs bewegen und darum „das An-
sehen vermeiden, als spräche Preußen nur zu seinem eigenen Vortheil.
In der That ist es auch Preußen in der jetzigen Lage mehr um Siche-
rung seiner Grenzen als um Vergrößerung zu thun.““) In einer zweiten
vertraulichen Denkschrift entwickelt er dann nochmals sein altes so oft
mit Metternich besprochenes System des „intermediären Europas", der
festen Vereinigung von England, Oesterreich und Preußen, welche die
beiden drohenden Massen Frankreich und Rußland in Schranken halten
soll; dies System ist schon in Wien erschüttert worden durch die allzu
starke Vergrößerung Rußlands und wird vollends unhaltbar wenn Preußen
mit ungesicherten Grenzen der tödlich erbitterten französischen Nation und
den Bourbonen, die uns ihre Feindseligkeit schon genugsam gezeigt haben,
gegenüber gestellt wird.)
Sodann übergab Humboldt dem Comité der Vier eine schlagende
Widerlegung der russischen Denkschrift; die Aufgabe war wie geschaffen
für seine unbarmherzige Dialektik. Er zeigte, wie der Krieg zwar nicht
zum Zwecke der Eroberung begonnen worden, jetzt aber thatsächlich der
*) Humboldt an Hardenberg, 4. Aug. 1815.
*“) Humboldt, Mémoire tres-confidentiel, 4. Aug. 1815.