Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Humboldts Denkschrift über den Deutschen Bund. 145 
ins Leben getreten war sprach Humboldt aus, was die Erfahrung eines 
halben Jahrhunderts bestätigen sollte: daß in Frankfurt nur die Phrase 
der deutschen Politik gedeihen konnte, alle Geschäfte der nationalen Staats- 
kunst von Berlin aus durch Verhandlungen mit den Einzelstaaten betrieben 
werden mußten. 
Am 5. Novbr. 1816 wurde die Bundesversammlung endlich eröffnet. 
Nach Hänleins Niederlage hatte Buol schon in den vorbereitenden Sitzungen 
die gesamte formelle Leitung ohne Widerspruch an sich genommen. Die 
Führung des Protokolls ward, auf Humboldts Verlangen, nicht dem eitlen 
Friedrich Schlegel anvertraut, der schon auf dem Wiener Kongresse durch 
seinen klerikalen Eifer und durch seine Knittelverse wider die „Nord= und 
Morddeutschen“ den Zorn der Preußen erregt hatte, sondern einem harm- 
losen k. k. Hofrat von Handel, dessen entsetzliches Deutsch den dürftigen 
Inhalt der Verhandlungen noch lächerlicher erscheinen ließ. Der hohe Rat 
der deutschen Nation versammelte sich in dem Thurn= und Texisschen 
Palaste auf der Eschenheimer Gasse, wo die k. k. Gesandtschaft zur Miete 
wohnte, und blieb fortan durch ein halbes Jahrhundert der bescheidene 
Mieter des Taxisschen Fürstenhauses. Da die Mittelstaaten von dem 
Wiederaufleben des alten Reichsadlers nichts hören wollten, so trugen 
die veröffentlichten Protokolle auf ihrem Titelblatte das österreichische Wappen 
mit der Umschrift: „Kaiserlich Osterreichische Bundeskanzley“. Es schien, 
als tage hier wirklich nur eine k. k. Provinzialbehörde. Die Präsidialmacht 
verschuldete auch, daß beim Anbruch dieser neuen Epoche deutscher Geschichte 
nicht einmal der Segen Gottes angerufen wurde. Buol weigerte sich an 
einem evangelischen Gottesdienste teilzunehmen, er verlangte ein Hochamt 
in dem alten Kaiserdome, obgleich fünf Sechstel der Souveräne des neuen 
Deutschlands protestantisch waren, und wollte dann statt der unterbliebenen 
kirchlichen Feier eine Festvorstellung im Theater veranstalten, was Hum- 
boldts guter Takt noch glücklich vereitelte. 
Als die Mitglieder des Bundestages allesamt, von der Wache mit 
präsentiertem Gewehr und geschwenkter Fahne begrüßt, vor dem k. k. Ge- 
sandtschaftshotel vorgefahren waren, las Graf Buol eine Rede ab, deren 
sinnloser Wortschwall gebildeten Hörern geradezu als eine Beleidigung 
erscheinen mußte: sie zeigte anschaulich, welcher Barbarei herz= und ideen- 
lose Politiker verfallen, sobald sie versuchen pathetisch zu werden. Der 
Vortrag war dem Gesandten von Metternich selbst zugeschickt worden, der 
es nicht der Mühe wert gehalten hatte, die klassische Feder seines Gentz 
zu benutzen; Buol selbst fand ihn unpassend und verlas aus Schonung 
nur einen Teil.') Hohlere Phrasen hatten doch selbst die unreifsten teu- 
tonischen Studenten noch nie gebraucht, als hier der Wiener Hof, da er 
anhub: „Im Deutschen als Menschen, auch ohne alle willkürlichen Staats- 
  
*) Humboldts Berichte, 1. und 8. November 1816. 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. II. 10
	        
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