Erste Sitzungen des Bundestages. 147
fremden“ — ein unfreiwilliger Seherspruch, der sich vollständig verwirk—
lichen sollte. Politisch bedeutsam war an den leeren Worten nur die be—
stimmte Erklärung: der Deutsche Bund sei kein Bundesstaat, sondern ein
Staatenbund; denn ersteres würde „dem unaufhaltbar nach höheren Rich—
tungen rollenden Laufe der Zeit widerstreiten“! Die Schlagwörter: Staa-
tenbund und Bundesstaat begannen eben jetzt in der Presse aufzutauchen,
ohne daß man noch einen bestimmten staatsrechtlichen Sinn damit ver-
bunden hätte. Wie weit war doch die politische Bildung der Nation hinter
dem Aufschwung der anderen Wissenschaften zurückgeblieben! Über die
Grundlagen des öffentlichen Rechts der Föderativstaaten hatte fast noch nie-
mand ernstlich nachgedacht; das klassische Buch der Amerikaner, das schon vor
einem Menschenalter diese Fragen geistvoll und sachkundig beleuchtet hatte, der
Föderalist von Hamilton, Madison und Jay, blieb in dem gelehrten Deutsch-
land so gut wie unbekannt. Selbst der wackere freimütige J. L. Klüber,
der alsbald nach dem Zusammentritt des Bundestages sein „Offentliches
Recht des Deutschen Bundes“ erscheinen ließ, wußte über den politischen
Charakter der verschiedenen Formen des bündischen Lebens wenig zu sagen.
Man dachte sich unter dem „Bundesstaate" irgend eine starke, hochange-
sehene Bundesgewalt, die dem deutschen Namen zur Ehre gereichen sollte;
die jungen Teutonen stimmten ihrem Lehrer Fries begeistert zu, als er
in seiner Schrift „Vom Deutschen Bunde und deutscher Staatsverfassung“"
mit der Dreistigkeit des wohlmeinenden Dilettanten kurzerhand aussprach:
„wir wünschen keinen schlaffen Staatenbund, sondern einen fest vereinigten
Bundesstaat.“ Allen solchen unbestimmten Wünschen trat der österreichische
Gesandte jetzt offen entgegen, und er hatte Sinn und Wortlaut der Bun-
desakte auf seiner Seite. Da für jede Abänderung der Bundesakte Ein-
stimmigkeit erfordert wurde, so war die Weiterbildung der Bundesverfassung
von Haus aus unmöglich, und bereits vor der Eröffnung des Bundes-
tages begannen die Gesandten, die guten wie die schlechten, im stillen
einzusehen, daß sogar die Abfassung der Grundgesetze des Bundes, welche
nach Art. 10 der Bundesakte das erste Geschäft des Bundestages sein
sollte, an dieser Klippe notwendig scheitern mußte.
Schon nach der ersten Sitzung verließ Humboldt den Bundestag
und begab sich tief verstimmt erst nach Berlin zu den Sitzungen des
Staatsrats, dann als Gesandter nach London; der Pariser Posten, den
er sich gewünscht, mußte ihm versagt werden, da der scharfe Preuße seit
dem letzten Kongresse bei den Bourbonen in üblem Rufe stand. An
seine Stelle trat in Frankfurt der Minister Graf v. d. Goltz, derselbe, der
im Frühjahr 1813 an der Spitze jener unglücklichen Berliner Regie-
rungskommission gestanden hatte, ein pflichtgetreuer Beamter, freundlich
und gutmütig, aber aller selbständigen Gedanken bar. Die Wahl be-
wies, wie wenig Hardenberg von der Scheintätigkeit der Frankfurter Ver-
sammlung erwartete. Der persönliche Verkehr zwischen den Gesandten
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