Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Erste Sitzungen des Bundestages. 147 
fremden“ — ein unfreiwilliger Seherspruch, der sich vollständig verwirk— 
lichen sollte. Politisch bedeutsam war an den leeren Worten nur die be— 
stimmte Erklärung: der Deutsche Bund sei kein Bundesstaat, sondern ein 
Staatenbund; denn ersteres würde „dem unaufhaltbar nach höheren Rich— 
tungen rollenden Laufe der Zeit widerstreiten“! Die Schlagwörter: Staa- 
tenbund und Bundesstaat begannen eben jetzt in der Presse aufzutauchen, 
ohne daß man noch einen bestimmten staatsrechtlichen Sinn damit ver- 
bunden hätte. Wie weit war doch die politische Bildung der Nation hinter 
dem Aufschwung der anderen Wissenschaften zurückgeblieben! Über die 
Grundlagen des öffentlichen Rechts der Föderativstaaten hatte fast noch nie- 
mand ernstlich nachgedacht; das klassische Buch der Amerikaner, das schon vor 
einem Menschenalter diese Fragen geistvoll und sachkundig beleuchtet hatte, der 
Föderalist von Hamilton, Madison und Jay, blieb in dem gelehrten Deutsch- 
land so gut wie unbekannt. Selbst der wackere freimütige J. L. Klüber, 
der alsbald nach dem Zusammentritt des Bundestages sein „Offentliches 
Recht des Deutschen Bundes“ erscheinen ließ, wußte über den politischen 
Charakter der verschiedenen Formen des bündischen Lebens wenig zu sagen. 
Man dachte sich unter dem „Bundesstaate" irgend eine starke, hochange- 
sehene Bundesgewalt, die dem deutschen Namen zur Ehre gereichen sollte; 
die jungen Teutonen stimmten ihrem Lehrer Fries begeistert zu, als er 
in seiner Schrift „Vom Deutschen Bunde und deutscher Staatsverfassung“" 
mit der Dreistigkeit des wohlmeinenden Dilettanten kurzerhand aussprach: 
„wir wünschen keinen schlaffen Staatenbund, sondern einen fest vereinigten 
Bundesstaat.“ Allen solchen unbestimmten Wünschen trat der österreichische 
Gesandte jetzt offen entgegen, und er hatte Sinn und Wortlaut der Bun- 
desakte auf seiner Seite. Da für jede Abänderung der Bundesakte Ein- 
stimmigkeit erfordert wurde, so war die Weiterbildung der Bundesverfassung 
von Haus aus unmöglich, und bereits vor der Eröffnung des Bundes- 
tages begannen die Gesandten, die guten wie die schlechten, im stillen 
einzusehen, daß sogar die Abfassung der Grundgesetze des Bundes, welche 
nach Art. 10 der Bundesakte das erste Geschäft des Bundestages sein 
sollte, an dieser Klippe notwendig scheitern mußte. 
Schon nach der ersten Sitzung verließ Humboldt den Bundestag 
und begab sich tief verstimmt erst nach Berlin zu den Sitzungen des 
Staatsrats, dann als Gesandter nach London; der Pariser Posten, den 
er sich gewünscht, mußte ihm versagt werden, da der scharfe Preuße seit 
dem letzten Kongresse bei den Bourbonen in üblem Rufe stand. An 
seine Stelle trat in Frankfurt der Minister Graf v. d. Goltz, derselbe, der 
im Frühjahr 1813 an der Spitze jener unglücklichen Berliner Regie- 
rungskommission gestanden hatte, ein pflichtgetreuer Beamter, freundlich 
und gutmütig, aber aller selbständigen Gedanken bar. Die Wahl be- 
wies, wie wenig Hardenberg von der Scheintätigkeit der Frankfurter Ver- 
sammlung erwartete. Der persönliche Verkehr zwischen den Gesandten 
10“
	        
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