Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

154 II. 4. Die Eröffnung des Deutschen Bundestages. 
Gleich zu Anfang dieser Beratungen erhob sich eine Vorfrage, welche die 
ganze heillose Unwahrheit der Bundesverfassung an den Tag brachte. Be— 
vor man die militärischen Leistungen der Bundesglieder festsetzte, mußte 
man doch wissen, wo die Grenzen des Bundesgebietes lagen. Die Bun— 
desakte hatte sich begnügt mit der unklaren Bestimmung, daß die Herrscher 
von Osterreich und Preußen „für ihre gesamten, vormals zum Deut- 
schen Reiche gehörigen Besitzungen“ dem Bunde beiträten. Da Metternich 
von Haus aus entschlossen war dem Bundestage niemals eine Einwirkung 
auf die inneren Verhältnisse der Kronlande zu erlauben, so hatte für ihn die 
Angelegenheit keinen Wert; er erklärte unbedenklich, sein Kaiser beabsichtige 
ein Gebiet von etwa 8 Mill. Einwohnern — die Lande der Krone Böhmen, 
das Erzherzogtum, Tyrol und Salzburg, die Steyermark, Kärnten und 
Krain — dem Bunde zu überweisen. Hardenberg hielt sich an seinen 
Lieblingsgedanken, die vollkommene Gleichheit der beiden Großmächte, und 
beantragte darum bei seinem Monarchen die Aufnahme eines preußischen 
Gebietes von etwa gleicher Bevölkerung: außer den unzweifelhaften alten 
Reichslanden der hohenzollernschen Krone sollten auch Geldern, das zwei- 
hundert Jahre lang dem Reiche entfremdet gewesen, und das souveräne 
Herzogtum Schlesien nebst der Lausitz für Bundesland erklärt werden. 
König Friedrich Wilhelm aber nahm die Frage sehr ernst und über- 
raschte den Staatskanzler durch die bestimmte Erwiderung, daß er mit 
seinem gesamten Staatsgebiete dem Deutschen Bunde beizutreten denke. 
Er kannte die unberechenbaren Wechselfälle der europäischen Politik und 
behielt trotz seiner Freundschaft für den Zaren, auch die Möglichkeit eines 
Krieges gegen Rußland wachsam im Auge. Da er sich aber schlechtweg 
als deutscher Fürst fühlte und ehrlich entschlossen war jede Verletzung des 
Bundesgebietes mit der gesamten Kraft seiner Monarchie zurückzuweisen, 
so schien es ihm nur billig, daß auch der Bund sich verpflichtete den 
preußischen Staat gegen jeden Angriff zu verteidigen; er dachte dabei zu- 
nächst an Posen und die unverhohlene Begehrlichkeit der Polen in War- 
schau. Für den Fall, daß die förmliche Aufnahme des ganzen Staats- 
gebietes in den Bund sich nicht durchsetzen ließ, verlangte der König min- 
destens den Abschluß eines dauernden Verteidigungsbündnisses zwischen 
Preußen und dem Bunde. Schon im Herbst 1816 wurde diese Absicht 
des Monarchen in der Instruktion für die Bundesgesandtschaft ausge- 
sprochen und seitdem zu Hardenbergs Verzweiflung anderthalb Jahre lang 
hartnäckig festgehalten. Die deutschen Dinge lagen indes noch so verschroben, 
daß gerade die einfachsten, die bestgemeinten politischen Gedanken verfrüht, 
ja gefährlich erschienen. So gewiß die europäischen Interessen Preußens 
mit denen des übrigen Deutschlands zusammenfielen, ebenso gewiß durfte 
die preußische Krone nicht zugunsten dieses Bundestages auf die Selb- 
ständigkeit ihrer auswärtigen Politik verzichten. Und so unzweifelhaft das 
treue deutsche Ordensland durch Stammesart und Geschichte dem großen
	        
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