Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Die Bundeskriegsverfassung. 157 
kleinen deutschen Armeen wenig Gewicht, weil er des preußischen Bündnisses 
sicher war. Die Frage schien nicht erheblich genug, um deshalb den Arg- 
wohn der Mittelstaaten zu erregen; brach ein Krieg aus, so mußten sich 
die kleinen Kontingente doch, wie in den letzten Feldzügen, irgendwie an die 
größeren Massen anschließen. Ohnehin fehlte dem Wiener Hofe gänzlich 
der militärische Sinn, das Verständnis für die sittliche Bedeutung der 
Heeresverfassung. Obgleich die Mängel des schwerfälligen österreichischen 
Heerwesens während der jüngsten Kriege grell genug hervorgetreten waren, 
so unterblieb doch im Frieden jede Verbesserung; der mißtrauische Kaiser 
sprach als Grundsatz aus, daß man niemals einem Offizier, der sich im 
Kriege hervorgetan, im Frieden eine einflußreiche Stellung anvertrauen 
dürfe, und ließ den fähigsten seiner Generale, Radetzky, zehn Jahre lang 
auf dem Festungskommando zu Olmütz. Die Maschine verrostete mehr und 
mehr. Die jungen Offiziere spotteten laut über das militärische Philister- 
tum und ergötzten sich an einer boshaften Satire, die im Jahre 1816 
erschien, dem „Standhaften Kriegs-Dienst= und Exerzierreglement der Reichs- 
stadt Riblingen“ — denn wie oft hatte nicht das tapfere kaiserliche Heer, 
gleich der Riblinger Armada, einen Feldherrn aus dem Geschlechte derer 
von Kraftlos ertragen müssen! Zu alledem kam noch der dringende Wunsch 
des Kaisers, alle erregten Verhandlungen in Frankfurt zu vermeiden. 
Als ihm der Bundestag zum ersten Male zum Geburtstage Glück wünschte, 
ließ er durch Metternich (2. März 1817) seinen Dank aussprechen, und die 
Auguren der Eschenheimer Gasse vernahmen mit befriedigtem Lächeln, wie 
der gute Kaiser sie ermahnte: sie sollten nicht vergessen, daß sie als eine 
permanente Versammlung keinen Grund zu übereilter Arbeit hätten; nimmer- 
mehr dürfe durch „übertriebenes Drängen der Geschäfte ein nachteiliger 
Ausbruch“ am Bundestage herbeigeführt werden. 
Während Kaiser Franz also seine Besorgnis vor dem heißblütigen 
Ungestüm des jugendlichen Bundestages aussprach, zeigten sich die Mittel- 
staaten sämtlich entschlossen, alles zu verwerfen, was der Einheit eines 
wirklichen Heeres auch nur nahe kam. In keiner anderen Frage wagte 
sich die noch ungebrochene rheinbündische Gesinnung dieser Höfe so schamlos 
hervor. Nicht die Verteidigung des Vaterlandes gegen den auswärtigen 
Feind, sondern die Sicherung der kleinköniglichen Souveränität gegen die 
Übermacht der großen Bundesgenossen wurde ungescheut als der Zweck 
der Bundeskriegsverfassung bezeichnet. Alle Mittel= und Kleinstaaten, so 
berichtete Berstett zufrieden seinem Hofe, wünschten die Bildung eines 
reinen Bundesheeres von mehreren Korps aus den kleinen Kontingenten 
unter einem gewählten Bundesfeldherrn; daneben mochten noch ein öster- 
reichisches und ein preußisches Korps als selbständige Hilfstruppen geduldet 
werden.“) Das deutsche Heer sollte absichtlich geschwächt werden, damit 
  
") Berstetts Bericht, 29. Januar 1817.
	        
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