158 II. 4. Die Eröffnung des Deutschen Bundestages.
die Überzahl der Osterreicher und der Preußen die Kleinen nicht erdrückte.
Ließ sich dies höchste Ziel nicht erreichen, so mußten die Kleinstaaten min-
destens vor jeder Unterordnung unter die Großmächte bewahrt bleiben. Die-
selben Höfe, welche soeben, als die Zulassung der fremden Gesandten in
Frage stand, die europäische Macht des Deutschen Bundes verherrlicht
hatten, sagten jetzt demütig: die Aufgabe sei nicht eine gebietende Stellung
im europäischen Staatensysteme einzunehmen, sondern nur eine vertei-
digende mit Würde zu behaupten — so lautete der erste Kommissionsbericht
des Bundestages in Sachen des Heerwesens. Baden und Darmstadt
gingen noch weiter und erklärten geradezu, gegen Sinn und Wortlaut
der Bundesakte: Neutralität sei das einzige Prinzip des Bundes. Da die
kleinen Höfe allesamt fest auf eine lange Zeit ungestörten Friedens hofften,
so wollten sie ihren ermüdeten Völkern, ihren zerrütteten Finanzen nur
geringe Kriegsleistungen zumuten. Die Landwehr, welche die meisten
Kleinstaaten während des Krieges nach preußischem Muster gebildet hatten,
wurde von dem Zunftstolze der rheinbündischen Offiziere mit Verachtung
angesehen, zumal da sie, mit Ausnahme der hannöverschen, nur selten ins
Gefecht gekommen war. Auch an Verdächtigungen fehlte es nicht; hatte
doch Steins verhaßte Zentralverwaltung die Volksbewaffnung geleitet!
Nach dem Frieden hob man überall in den Kleinstaaten die Landwehr
auf oder man ließ sie verfallen, so daß sie nur zuweilen, wie die vielbe-
lachten bayrischen „Fronleichnamssoldaten“, an Festtagen auf einige Stun-
den zum Vorschein kam; und bald war Preußen der einzige deutsche Staat,
der noch eine kriegstüchtige Landwehr besaß.
In dem Verlangen nach Abrüstung vereinigten sich die gedankenlose
Selbstsucht der kleinen Höfe und der Soldatenhaß des Liberalismus. Auch
darin stimmten alle Mittelstaaten überein, daß man allenfalls für Kriegs-
zeiten eine mäßige Leistung versprechen, doch nimmermehr im Frieden eine
Aufsicht von Bundeswegen ertragen dürfe. An den Höfen von Darm-
stadt und Karlsruhe fragte man unverhohlen: warum Opfer bringen für
ein Bundesheer, das dem engeren Vaterlande doch nichts nützen könne? be-
vor die Osterreicher und Preußen dem Südwesten zu Hilfe kämen, wür-
den die französischen Heere längst die deutschen Grenzlande überschwemmt
haben. So schnell waren die strahlenden Siege der jüngsten Jahre wieder
vergessen; so lähmend wirkte die Nachbarschaft jener elsassischen Festungen,
welche der faule Friede in Frankreichs Hand gelassen, auf den deutschen
Stolz! Der Kurfürst von Hessen bewährte auch diesmal seine Anhäng-
lichkeit an die gute alte Zeit und schärfte seinem Gesandten ein, Hessen
habe zu dem Reichsheere niemals mehr als 800 Mann gestellt; doch wollte
er aus besonderer Hingebung dem Deutschen Bunde äußersten Falles
2500 Mann gewähren, nur möge man ihn mit den „Hauskriegen“ Oster-
reichs und Preußens nicht behelligen. Diese Absichten der kleinen Höfe
wurden schon bei den einleitenden Verhandlungen über das Heerwesen