Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Verhandlungen über das Bundesheer. 159 
mit zynischer Offenheit ausgesprochen. Bayern fragte kurzab: wozu über— 
haupt eine Vorschrift über die Friedensstärke der Kontingente? genug, wenn 
der Bund für den Kriegsfall das Verhältnis zwischen den Leistungen der 
Bundesglieder feststellt; sind diese Simpla vereinbart, so kann alles Weitere 
den Umständen und der freien Übereinkunft der Staaten überlassen werden. 
In der Tat gelangte der Bundestag am 29. Mai 1817 nur zu dem Be— 
schlusse, einen Ausschuß mit der Aufstellung einer provisorischen Matrikel 
zu beauftragen. Aber sollte die Bevölkerung allein den Maßstab für die 
Matrikel bilden? Oder auch der Gebietsumfang und die Höhe der Staats- 
einkünfte? Selbst hierüber war man noch nicht einig. Die reichen Hanse- 
städte empfahlen lebhaft den Bevölkerungsmaßstab, der ihnen ein gutes Ge- 
schäft verhieß; das dichtbevölkerte Württemberg sprach ebenso eifrig dawider. 
Angesichts solcher Erfahrungen setzte Hardenberg seine letzte Hoffnung 
auf die Verständigung mit Osterreich. Schon um Mitte Mai 1817 ließ 
er den Wiener Hof zu Sonderverhandlungen auffordern,“) aber erst im 
Juli beauftragte Metternich, sichtlich ungern, den General Steigentesch, 
in Karlsbad mit Boyen und dem General Wolzogen zusammenzutreffen. 
Dort gerieten die beiden alten Freunde Steigentesch und Wolzogen hart 
an einander und nur Boyens ruhige überlegenheit setzte endlich eine 
halbe Verständigung durch. Sobald man den Dingen näher trat, kam 
sofort zutage, wie vollständig Hardenberg sich über die Absichten der Hof- 
burg getäuscht hatte. Der preußische Vorschlag zur Zweiteilung des Bun- 
desheeres erschien den Wiener Staatsmännern schlechthin unannehmbar. Er 
bot zwar dem preußischen Staate die Aussicht auf die militärische Beherr- 
schung der dichten Wolke der norddeutschen Kleinstaaten; aber was hatte 
Osterreich dabei zu gewinnen, da doch die Unterwerfung der bayrischen und 
der württembergischen Königskrone unter den kaiserlichen Oberbefehl ganz 
undenkbar war? Der Plan entsprang der Politik des friedlichen Dualismus; 
doch er konnte, wie die Dinge lagen, nur die Machtstellung Preußens zum 
Nachteil Osterreichs verstärken. Darum ward er auch von dem einzigen 
namhaften preußischen Staatsmanne, welcher damals schon die Trennung 
von Osterreich erstrebte, warm befürwortet. Präsident von Motz sendete um 
die nämliche Zeit dem Staatskanzler eine Denkschrift, die mit genialer 
Kühnheit die große Lüge des deutschen Bundesrechts beleuchtete. Hier 
war der Bund kurzerhand als „ein politischer Notbehelf“ bezeichnet. 
den die Eifersucht der deutschen Fürsten im Verein mit Osterreich, Ruß- 
land und Frankreich geschaffen habe, „um Deutschland in ewiger Kraft- 
zersplitterung zu erhalten.“ Preußen aber müsse schon jetzt den Zeitpunkt 
ins Auge fassen, „wo das unhaltbare Bundeswerk wieder in sich selbst zer- 
fallen werde“, und daher vorläufig, so lange ein einiges deutsches Heer 
noch nicht möglich sei, die norddeutschen Kontingente durch Militärkon- 
  
*) Hardenbergs Instruktion an Krusemark, 13. Mai 1817.
	        
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