Verhandlungen über die Preßfreiheit. 169
sehr ungehalten, weil er voraussah, daß die preußische Verfassung übers
Jahr unmöglich vollendet sein konnte; und welches Recht habe der Bund
über diese Dinge Rechenschaft zu fordern? Indes beruhigte sich der König,
da Hardenberg ihm vorstellte, die Einführung neuer ständischer Institu-
tionen, an der Stelle der verlebten alten Provinziallandtage sei doch be-
schlossene Sache: „Heute kann nicht Gestern werden.““) Der Bundestag
erteilte nunmehr den Mecklenburgern die gewünschte Garantie und nahm
den preußischen Antrag an. Die Krone Württemberg aber versagte sich's
nicht, vor der Nation nochmals das Licht ihres unvergleichlichen Liberalismus
leuchten zu lassen. Derselbe Wangenheim, der soeben insgeheim eine be-
schränkende Interpretation des Art. 13 gefordert hatte, beteuerte in dem
veröffentlichten Protokoll vom 6. April: „die regeste Sorgfalt Sr. Majestät
sei auf eine den liberalsten Grundsätzen entsprechende Repräsentativver-
fassung gerichtet.“ Es war das erste Probstück jener heuchlerischen, treu-
los zwischen dem Bundestage und den heimischen Landständen hin und
her schwankenden Politik, welche fortan ein Menschenalter hindurch von
den konstitutionellen Mittelstaaten befolgt wurde.
Nächst der landständischen Verfassung war die Preßfreiheit der Lieb-
lingswunsch der Liberalen; sie hofften um so sicherer auf die Erfüllung
dieses Verlangens, da der Art. 18 der Bundesakte dem Bundestage vor-
schrieb, bei seiner ersten Zusammenkunft gleichförmige Verfügungen über
Preßfreiheit und Nachdruck abzufassen. Aber auch diese Hoffnung sollte
trügen. Die wenig beschränkte Freiheit, deren sich die deutsche Literatur
in ihren klassischen Tagen erfreute, beruhte auf der Voraussetzung, daß
die Schriftsteller der Politik immer fern bleiben müßten. Als dann seit
dem Jahre 1813 plötzlich eine politische Presse aufschoß, ehrlich und warm-
herzig, aber auch unklar, lärmend, jugendlich ungezogen, da stand der alte
Beamtenstaat dem ungewohnten Treiben noch eine Weile erschrocken und
ratlos gegenüber; kein Diplomat, der nicht in seinen vertrauten Briefen
über die zügellose Frechheit der „politischen Skribler“ jammerte. Zu den
wenigen, die in der allgemeinen Bestürzung ihren Gleichmut nicht ganz
verloren, gehörte Hardenberg. Schon von Paris aus schrieb er dem Justiz-
minister: er wünsche die Bewilligung einer geregelten Preßfreiheit, aber
auch Beschränkung der überhandnehmenden Zügellosigkeit; die Revision der
zahlreichen veralteten Zensurgesetze, welche in den verschiedenen Landes-
teilen Preußens noch galten, scheine dringend geboten. Leider fand er in-
mitten der massenhaften Verwaltungsgeschäfte jener Übergangszeit nicht die
Muße den Plan weiter zu verfolgen. Indessen wurde die Zensur in Preußen
ohne Härte gehandhabt und der Nachdruck, der auf dem linken Rheinufer
sein Unwesen trieb, streng unterdrückt, obgleich die kleinen Nachbarn dem
*) Kabinettsordre vom 18. Februar. Antwort Hardenbergs, 10. März. Erwiderung
des Königs, 21. März 1818.