Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Die Hungersnot von 1816 17. 171 
tungen.5) Aber auch hier zeigte sich, wie weit die Ansichten der beiden Groß- 
mächte auseinandergingen. Obgleich Metternich seinen Gentz eine Denk- 
schrift über die Presse ausarbeiten ließ und lebhaft verlangte, Deutschland 
müsse von „der Diktatur der Jahn, der Arndt, der Oken, der Fries“ be- 
freit werden, so trug er doch wieder Bedenken in die Souveränität der 
Einzelstaaten so tief einzugreifen, und Jordan brachte nichts heim als einige 
unverbindliche Zusagen.““) Dann versuchte Großherzog Karl August (April 
1818) die Tätigkeit des Bundestages zu beschleunigen und bat dringend 
um die Aufstellung gleichförmiger Grundsätze für die deutsche Presse, weil 
er oft mit Schmerz erfahren habe, daß die verfassungsmäßige Preßffreiheit 
seines Landes von den Nachbarn mit Unwillen betrachtet würde. Ver- 
gebliche Mahnung. Erst im Oktober 1818, nach reichlich anderthalb Jahren, 
brachte Berg seine Ubersicht zustande, und nun ermannte sich der Bun- 
destag zu dem Beschlusse, eine Kommission zur Vorbereitung weiterer Be- 
ratungen einzusetzen. So ging die Zeit, da ein leidlich verständiges deut- 
sches Preßgesetz noch möglich war, durch schimpfliche Saumseligkeit verloren.— 
Den Massen des Volkes ward die hilflose Nichtigkeit des Bundestages 
erst fühlbar, als er an den Art. 19 der Bundesakte, der die Regelung 
der Verkehrsverhältnisse verhieß, endlich herantrat. Eine so anarchische 
Verwirrung, wie sie dieses verarmte, ausgesogene Volk jetzt in seinem Handel 
und Wandel ertragen mußte, hatte selbst die jammerreiche deutsche Ge- 
schichte noch nie gesehen. Die verhaßten Douanen und droits réunis der 
Franzosen waren sofort nach dem Sturze der Fremdherrschaft überall be- 
seitigt worden und noch nicht durch ein neues System indirekter Steuern 
ersetzt. So lag denn ein großer Teil Deutschlands der übermächtigen 
Mitwerbung des reicheren Auslandes schutzlos offen. Die Fabriken des 
Rheinlandes, kaum erst aufgeblüht unter dem napoleonischen Merkantil- 
system, verloren plötzlich ihren Markt in Frankreich, Holland, Italien und 
sahen sich von ihren Landsleuten abgesperrt durch die zahlreichen Staats- 
und Provinzial-Zolllinien, welche das deutsche Land durchschnitten. Es 
war ein Stück verkehrter Welt. Sobald die Kontinentalsperre fiel, wurden 
die seit Jahren aufgespeicherten englischen Waren in Massen auf das Fest- 
land geworfen; Scharen englischer Musterreiter durchzogen die deutschen 
Städte. Die englische Industrie sendete in einem Jahre für 388 Mill. 
Gulden Fabrikwaren nach dem Kontinente, nach Deutschland allein für 
129 Mill. Gulden. Dann schritt das Parlament zur Wiederherstellung 
des Bargeld-Umlaufs. Die gesamten Silbermünzen des Reiches wurden 
umgeprägt, Massen neuer Goldmünzen ausgegeben, die Bank zur allmäh- 
lichen Wiederaufnahme der Barzahlungen verpflichtet. England bedurfte 
um jeden Preis der edlen Metalle und suchte den Bedarf durch gehäufte 
*) Hardenberg an Krusemark, 12. Juni; Raumers Denkschrift über den Art. 18, 
mit Anmerkungen des Staatskanzlers vom 18. November 1817. 
*) Jordan an Hardenberg, 13. Jan.; Metternich an Hardenberg, 5. Jan. 1818. 
 
	        
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