Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

174 II. 4. Die Eröffnung des Deutschen Bundestages. 
Verhandlungen hätten allerdings zu keinem Ergebnis geführt; er „nähre 
jedoch die Hoffnung, daß demnächst dieser Gegenstand wieder in erneuerte 
Anregung gebracht würde.“ So glänzend bestätigte sich jene Weissagung 
LÖsterreichs: der Art. 19 solle die Bundesstaaten einander entfremden! 
Auch ein Nachspiel fehlte nicht, das nur auf deutschem Boden möglich 
war; denn es gibt eine Naivität der Dummheit und der Nichtswürdigkeit, 
welche allein in der Enge der Kleinstaaterei gedeihen kann. Der Kurfürst 
von Hessen hatte während der Hungersnot durch den getreuen Rothschild 
baltisches Getreide bestellt; die Sendung langte aber zu spät an, als die 
Preise schon wieder gefallen waren. Damit seine Kammerkasse keinen 
Schaden litte, zwang nun der reiche Fürst die Kasseler Bäcker, ihm das 
Ostseegetreide zu 12 Tlr. 2 Groschen für das Kasseler Viertel abzunehmen, 
während der Marktpreis im Lande nur auf 7 Tlr. stand. Also ward 
das Notjahr den Bürgern der hessischen Hauptstadt durch den liebevollen 
Landesvater noch um einige Monate künstlich verlängert. 
Was konnte vollends der auswärtige Handel der Nation von dem 
Bundestage erwarten in einer peinlichen Angelegenheit, welche selbst von 
den Seemächten sehr schlaff behandelt wurde? Wie die Türkei selber, so 
verdankten auch ihre Schutzstaaten, die Barbaresken, ihren Bestand zu- 
meist der Uneinigkeit der europäischen Mächte; die Uberfülle von Gegen- 
sätzen, welche die vielgestaltige Kultur des Abendlandes umschloß, kam der 
Barbarei des Islam zu statten. Da keine europäische Macht der anderen 
ein rücksichtsloses Vorgehen gegen die Pforte gestatten wollte, so hatte man 
sich längst gewöhnt die Raubfahrten der Barbaresken im Mittelmeere als 
rechtmäßige Kriegszüge zu betrachten; jede Seemacht schützte sich dawider 
durch die Waffen oder auch durch Tributzahlungen. Als der Seehandel 
nach dem Frieden wieder aufzublühen begann, wagten sich die Piraten 
auch in andere Meere hinaus; selbst in der Ostsee, im Angesicht der deut- 
schen Küste wurden deutsche Schiffe ausgeplündert und die Mannschaft 
in die Sklaverei hinweggeführt, und zu alledem drohte die Gefahr der 
Ansteckung aus den verpesteten Landen Nordafrikas. Die Schiffe aus Han- 
nover und Schleswig-Holstein genossen noch einiger Sicherheit unter dem 
Schutze der englischen und der dänischen Flagge, da eine britische Flotte 
soeben den Dey von Algier in seiner Hauptstadt bedroht und zur Aus- 
lieferung der christlichen Sklaven gezwungen hatte. Um so schwerer litten 
die Hansestädte und die preußischen Häfen; ein großer Teil ihrer Schiffe 
mußte unter fremder Flagge segeln. Da verlangte endlich Zar Alexander 
in London die Bildung eines europäischen Seebundes zur gemeinsamen 
Bekämpfung der Seeräuber (Sept. 1816); die englische Regierung aber 
witterte wieder arge Hintergedanken und wollte das Erscheinen russischer 
Kriegsschiffe im Mittelmeer nicht dulden. Die langwierigen Verhand- 
lungen führten zu keinem Ergebnis, obschon Preußen die russischen Vor- 
schläge unterstützte und sich bereit erklärte einige Fregatten für die euro-
	        
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