Bülows Steuerreformplan. 205
als im Jahre 1806 und trotzdem in Friedenszeiten, wenn man die zahl—
reichen Naturalleistungen der alten Zeit zu Geld veranschlage, 2 Mill. Tlr.
weniger für die Armee aufwende. Er schloß mit der energischen Erklärung:
die Stärke des Heeres könne nicht allein durch finanzielle Rücksichten be-
stimmt werden, sie ergebe sich aus der Weltstellung des Staates, aus der
Macht und der Gesinnung seiner Nachbarn.
Auch der Staatskanzler fühlte sich durch Bülows Vorwürfe „gekränkt
als Chef, Freund und naher Verwandter“ und stellte den Ankläger ernst-
lich zur Rede. Da der erschreckte Finanzminister also seine letzte Stütze
wanken sah, so lenkte er behutsam ein und weigerte sich, seine keineswegs
grundlosen Klagen über Hardenbergs Nachlässigkeit bis vor den Thron
zu bringen: „eher möge der König seine Ungnade auf mich werfen, eher
will ich Alles in dieser Welt verlieren, als meine Seele mit Undank be-
laden und mit Ew. Durchlaucht in einen öffentlichen Streit gehen.“)
Aber das freundliche Verhältnis zwischen den beiden Vettern blieb gestört,
Bülows Stellung ward täglich unhaltbarer.
Gleichzeitig führte der Staatsrat eine nicht minder stürmische Ver-
handlung über die Steuerreform. Von den zwei Gesetzentwürfen, welche
der Finanzminister vorlegte, fand der eine, das Zollgesetz, fast auf allen
Seiten Anerkennung, während der zweite, das Gesetz über die Besteuerung
im Inneren des Staates, sofort mit Unwillen aufgenommen wurde. Bülow
dachte außer der Gewerbe= und Stempelsteuer auch die bestehenden Grund-
steuern vorläufig, bis zur Einberufung der Provinzialstände, aufrecht zu
halten; die drückende alte Akzise hingegen, die sich nach Einführung der
Gewerbefreiheit und des Zollgesetzes ohnehin nicht mehr halten ließ, wollte
er beseitigen und an ihrer Stelle eine Mahl= und Fleischsteuer für Stadt
und Land, ferner Steuern auf Tabak, Bier und Branntwein einführen.
Seine Vorschläge entfernten sich nicht weit von dem fridericianischen Steuer-
systeme, das 70 Prozent des gesamten Abgabenertrags durch indirekte
Steuern aufgebracht hatte. Sie verrieten die Hand eines gewandten
Praktikers, der ohne eigene reformatorische Gedanken lediglich die Staats-
kassen in der gewohnten Weise zu füllen trachtete, und erschienen der
Opposition, deren Führung wieder Humboldt übernahm, um so verdäch-
tiger, da sie von einem napoleonischen Minister herrührten und fast wört-
lich mit den Ansichten übereinstimmten, welche Bülows früherer Amts-
genosse Malchus soeben in seiner Schrift über die westfälische Finanz-
verwaltung ausgesprochen hatte.
Unter den preußischen Beamten, die fast allesamt bei A. Smith und
Kraus in die Schule gegangen waren, standen die indirekten Steuern des
Bonapartismus in üblem Rufe: hatte doch Smith die Mahlsteuer kurzweg
*) Bülow an Hardenberg, 10., 13., 14., 16. Juli; Hardenberg an Bülow, 12.,
17. Juli 1817.