Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Das Zollgesetz. 215 
nismäßig erhöht haben; zudem lag in der hohen Besteuerung kostbarer 
Waren eine starke Versuchung zum Schmuggelhandel, welche ein Staat 
von so schwer zu bewachenden Grenzen nicht ertragen konnte. 
Auch in der großen Prinzipienfrage der Handelspolitik gab die Rück— 
sicht auf die Finanzen den Ausschlag. Der Staat hatte die Wahl zwischen 
zwei Wegen.“) Man konnte entweder nach Englands und Frankreichs Bei— 
spiel Prohibitivzölle einführen, um diese sodann als Unterhandlungsmittel 
gegen die Westmächte zu benutzen und also Zug um Zug durch Differential— 
zölle zur Erleichterung des Verkehrs zu gelangen; oder man wagte sogleich in 
Preußen ein System mäßiger Zölle zu gründen, in der Hoffnung, daß 
die Natur der Dinge die großen Nachbarreiche dereinst in dieselbe Bahn 
drängen werde. Maassen fand den Mut den letzteren Weg zu wählen, 
vornehmlich weil der zweifelhafte Ertrag aus hohen Schutzzöllen dem Be- 
dürfnis der Staatskassen nicht genügen konnte. Verboten wurden allein 
die Einfuhr von Salz und Spielkarten; die Rohstoffe blieben in der Regel 
abgabenfrei oder einem ganz niedrigen Zolle unterworfen. Von den Ma- 
mufakturwaren sollte ein mäßiger Schutzzoll erhoben werden, nicht über 
10 Proz., ungefähr der üblichen Schmuggelprämie entsprechend. Die Ko- 
lonialwaren dagegen unterlagen einem ergiebigen Finanzzolle, bis zu 20 
Proz., da Preußen an seiner leicht zu bewachenden Seegrenze die Mittel 
besaß, diese Produkte wirksam zu besteuern. 
Dies freieste und reifste staatswirtschaftliche Gesetz des Zeitraums 
wich von den herrschenden Vorurteilen so weit ab, daß man im Aus- 
lande anfangs über die gutmütige Schwäche der preußischen Doktrinäre 
spottete. Den Staatsmännern der absoluten Monarchie fällt ein undank- 
bares entsagungsvolles Los. Wie laut preist England heute seinen William 
Huskisson, one of the world's great Spirits; alle gesitteten Völker be- 
wundern die Freihandelsreden des großen Briten. Der Name Maassens 
aber ist bis zur Stunde in seinem eigenen Vaterlande nur einem engen 
Gelehrtenkreise vertraut. Und doch hat die große Freihandelsbewegung 
unseres Jahrhunderts nicht in England, sondern in Preußen ihren ersten 
bahnbrechenden Erfolg errungen. Das wiederhergestellte französische König- 
tum hielt in dem Tarife von 1816 die strengen napoleonischen Prohibitiv= 
zölle gegen fremde Fabrikwaren hartnäckig fest. Die Selbstsucht der 
Emigranten fügte noch schwere Zölle auf die Erzeugnisse des Landbaus, 
namentlich auf Schlachtvieh und Wolle, hinzu. Auch in England war 
nur ein Teil des Handelsstandes für die Lehren der Verkehrsfreiheit ge- 
wonnen. Noch stand der Grundherr treu zu den hohen Kornzöllen, der Rhe- 
der zu Cromwells Navigationsakte, der Fabrikant zu dem harten Prohibitiv= 
systeme; noch urteilte die Mehrzahl der Gebildeten wie einst Burke über 
  
*) Soschilderte Eichhorn späterhin rückblickend die Lage in einem Ministerialschreiben 
vom 7. Febr. 1834.
	        
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