Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Schlesien. 255 
Landeskenntnis um die Einführung der Reformen nach und nach, unter 
behutsamer Schonung der eigenartigen Verhältnisse durchzusetzen. 
Und wie kläglich lag der Wohlstand des Landes, der sich einst nach 
dem Einzuge der Preußen so erstaunlich rasch gehoben, jetzt darnieder. Wo 
waren sie hin, die glücklichen Zeiten, da John Quincy Adams das Land 
bereiste um die Wunder der fridericianischen Verwaltung kennen zu lernen, 
da die Fürsten und Grafen in den Bädern von Warmbrunn und Salz- 
brunn ihr schwelgerisches Sommerleben führten, fast in jedem Landhause 
des Waldenburger Tales ein reicher Fabrikant wohnte und droben auf 
dem rauhen Kamme des Gebirges, in Landeshut, bei den „Amerikanern“, 
den großen nach Amerika und Spanien handelnden Kaupherren, der Ungar- 
wein in Strömen floß? Die Leinwandausfuhr erreichte nie mehr ihre 
alte Höhe, in den Weberdörfern des Gebirges herrschte ein Notstand, der 
endlich selbst der heitern Genügsamkeit dieses leichtlebigen Völkchens uner- 
träglich schien; auch der Handel mit Polen, die Nahrungsquelle Breslaus, 
ward durch die neuen russischen Schlagbäume vielfach geschädigt. Indes 
hob sich die Baumwollmanufaktur, und die Wollmärkte gewannen an Be- 
deutung seit Thaer seine Stammschäferei in Panten einrichtete. Die unter 
Friedrich II. gegründeten Fürstentums-Landschaften nahmen im Jahre 1814 
sofort ihre Zinszahlungen wieder auf und retteten den Kredit des großen 
Grundbesitzes, so weit dies bei der Entwertung der Güter möglich war. 
Die Königshütte in Oberschlesien stellte ihren großartigen Betrieb bald 
wieder her, und allmählich entstand dort, trotz der bedrohlichen Nähe der Zoll- 
grenzen Osterreichs und Rußlands, eine stattliche Zahl neuer Berg= und 
Hüttenwerke. Das alles vollzog sich sehr langsam. Die kühne Unterneh- 
mungslust aufstrebender Zeiten war diesem ermüdeten Volke nicht gegeben; 
in bedächtiger Arbeit und stiller Entsagung ging ihm das Leben auf. — 
Daß die neuen Formen der Provinzialverwaltung so schnell feste Wur- 
zeln schlugen, war vor allem das persönliche Verdienst der Oberpräsidenten. 
Mit glücklicher Hand hatte Hardenberg fast durchweg bedeutende, und zu- 
meist ziemlich junge Männer für diesen schwierigen Posten ausgewählt. Am 
wenigsten vielleicht genügte ihm der brandenburgische Oberpräsident von Heyde- 
breck. Der war als tüchtiger Beamter der alten Schule in den kollegialischen 
Beratungen der Kriegs= und Domänenkammern aufgewachsen und wollte 
zuerst „die sogenannte Oberpräsidentenstelle“ nicht annehmen, bis ihn der 
Staatskanzler belehrte, wie wichtig und ehrenvoll das Amt sei. ) Aber unter 
ihm wirkte einer der fähigsten Beamten, der Potsdamer Regierungspräsi- 
dent von Bassewitz, ein Mann von erstaunlichem praktischem Wissen, der 
jede Flurkarte der Kurmark im Kopfe trug, über jeden Taler der Kriegs- 
kontributionen Bescheid wußte und eine ganze Schule tüchtiger Verwal- 
tungsbeamten heranzog, so daß die Potsdamer Regierung ihren einst unter 
  
*) Hardenberg an Heydebreck, 29. Juni 1815.
	        
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