256 II. 5. Die Wiederherstellung des preußischen Staates.
Sacks Führung erworbenen guten Ruf behauptete. Bassewitz hielt die
Grundsätze der neuen Gesetzgebung unverbrüchlich fest, verstand jedoch mit
jedermann so schonend und freundlich umzugehen, daß selbst die feudalen
Edelleute dem Reformer nicht ernstlich gram wurden.
Auf dem flachen Lande blieb die Ritterschaft hier noch so mächtig wie
in Pommern, obgleich die Rittergüter der Kurmark nur einen Wert von
27 Mill. Tlr. darstellten und mit 21 Mill. Hypothekenschulden belastet
waren, während der Bauernstand bereits einen Bodenwert von 31 Mill.
mit einer Schuldenlast von 61/, Mill. besaß. Gewaltig war noch das An—
sehen des Landrats, zumal wenn er sein Amt so tüchtig verwaltete, wie
der Sohn des alten Zieten, der berühmte Musterlandrat in der Grasschaft
Ruppin. Altväterlich einfach blieben die Sitten des Landvolks selbst dicht
vor den Toren Berlins, die alte kunstlose Dreifelderwirtschaft herrschte
noch überall vor. Doch begann jetzt allmählich die Tätigkeit Albrecht
Thaers ihre reichen Früchte zu tragen. Seine Schule zu Möglin im
Oderbruch, soeben zur königlichen landwirtschaftlichen Lehranstalt erhoben,
lockte eine stetig wachsende Zahl von alten und jungen Landwirten an,
die hier unter den alten Erlen am Teiche die freundlichen Ratschläge
des gelehrten und doch so schlicht praktischen Mannes empfingen und
draußen auf den Feldern lernten, wie die Brache durch geregelten Frucht-
wechsel entbehrlich werden könne. Seit die weißen Vließe des Mögliner
Wollmarktskönigs alle andere Wolle aus dem Felde schlugen, war der Ruf
der veredelten Schafzucht fest begründet, die großen Grundbesitzer begannen
nach und nach ihren Betrieb nach den Grundsätzen der neuen „rationellen
Landwirtschaft" umzugestalten, und Goethe rief dem Reformator des
deutschen Landbaues ermunternd zu: „nicht ruhen soll der Erdenkloß, am
wenigsten der Mann!“
Wie eine Insel lag die so rasch aufgestiegene Hauptstadt inmitten
dieser ackerbauenden Provinz, ganz abgetrennt von den Interessen des
platten Landes. Der Charakter des Berliner Lebens war trotz seiner
188,000 Einwohner noch wesentlich durch den Hof und die Garnison, die
Beamten und die Universität bestimmt. Nirgends in Deutschland konnte
man feinere Urteile über Theater und Musik, Philosophie und Geschichte
hören als in den einfachen Teegesellschaften der Berliner literarischen
Kreise. Wie viele geistvolle Männer dachten noch nach Jahren sehnsüchtig
des gastfreien Mendelssohnschen Hauses in der Leipziger Straße; dort in
dem stillen Parke nahe dem Potsdamer Tore, wo für den Berliner die
Welt aufhörte, fanden sich die Künstler, die Gelehrten und Kritiker fröhlich
zusammen. Aber die Gesellschaft sonderte sich noch streng nach den Be-
rufsständen. Selbst Gneisenau, der neue Gouverneur, verkehrte fast aus-
schließlich mit Offizieren, und alle Welt verwunderte sich über die uner-
hörte Neuerung, als der König im Jahre 1817 im Konzertsaale des Opern-
hauses einige Subskriptionsbälle für jedermann veranstalten ließ und