Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Berg. Cleve. 267 
hatten noch auf dem Wiener Kongresse alle Gegner Preußens die Hoff— 
nung ausgesprochen: an diesem deutsch-französischen Sonderleben müsse sich 
der norddeutsche Staat die Stirn einrennen. Der König verbarg sich 
die gefahrvolle Lage der entlegenen Westmark nicht und erklärte bei der 
Besitzergreifung offen: „die höhere Rücksicht auf das gesamte deutsche 
Vaterland entschied meinen Entschluß; diese deutschen Urländer müssen 
mit Deutschland vereinigt bleiben, sie sind die Vormauer der Freiheit und 
Unabhängigkeit Deutschlands.“ Das Rheinland wurde für ein Menschen— 
alter das Schoßkind der preußischen Krone, aus dem nämlichen Grunde 
wie einst Schlesien unter Friedrich II. Auch die Mehrzahl der in den 
Westen berufenen altländischen Beamten ging voll Besorgnis ans Werk 
und erkannte erst allmählich, wie dünn der gallische Firnis war, der über 
diesen kernhaften deutschen Stämmen lag. 
Am sprödesten hatten die niederrheinischen Landschaften abwärts von 
Köln ihre deutsche Eigenart behauptet. Auf dem rechten Ufer in dem 
freien Lande der Berge erschienen die Preußen nicht als Fremde; hatte 
doch seine protestantische Kirche mehr denn hundert Jahre lang unter 
dem Schutze der preußischen Krone, sein Landtag mit dem benachbarten 
märkischen in ständischer Union gelebt. Der vaterländische Geist, den 
die bergischen Landstürmer im Jahre 1814 bewährt, stammte nicht von 
gestern. Noch erzählte man sich gern, wie der „bergische Held“ Stücker 
und seine tapferen Bauern einst beim ersten Einfall der Ohnehosen, gegen 
den Willen des bayrischen Landesherrn, den kleinen Krieg geführt hatten; 
noch kannte jedes Kind im Lande das Schelmen-Vaterunser, das schon 
während der fridericianischen Kriege den französischen Plünderern zum 
Schimpf entstanden war. Der rührige, schon längst an die überseeische 
Ausfuhr gewöhnte Gewerbfleiß und die bunte Mannigfaltigkeit der kirch- 
lichen Gegensätze gaben hier dem Leben einen freien, großstädtischen Zug. 
Die Fabrikanten des Wuppertales nannten ihre Doppelstadt Elberfeld- 
Barmen bereits das deutsche Manchester, die Solinger sprachen mit 
Selbstgefühl von dem Weltruhm ihrer Klingen, alle fühlten sich stolz 
ihren Wohlstand allein sich selber zu verdanken und traten gutes Muts 
in die großen Verhältnisse des preußischen Staates hinüber, der ihrer 
rüstigen Kraft ein weites Arbeitsfeld eröffnete. Wohl keine andere Land- 
schaft des Nordens besaß so viele volkstümliche Männer, die auf eigene 
Faust für das gemeine Wohl, für die Erweckung deutschen Geistes 
arbeiteten. Da war der allbekannte Eremit von Gauting, Freiherr von Hall- 
berg, ein wütender Franzosenfeind, während des Krieges Feldhaupt- 
mann des Landsturms an der Sieg und jetzt stets bei der Hand, wenn 
es galt die französische Partei zu bekämpfen; dann der Herr Rat zu 
Opladen, Deycks, der allgemeine Rechtsbeistand für die Wupperlande, der 
Pfleger des Gartenbaus und der Ackerbauschulen; dann Zruccalmaglio, 
der Doktor zu Schlebusch: der hatte noch unter der Fremdherrschaft die
	        
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