Die Pfalz. 331
heimatlicher Eigenart verehrt wurde. Man nahm es hin wie eine
Schickung der Natur, daß die welsche Wut von allen den alten Kirchen
und Kaiserpfalzen des Landes keine einzige unzerstört gelassen hatte;
aber die rote Jakobinermütze wagte niemand von dem Landauer Kirch-
turme zu entfernen, und an den Mauern der Grenzfestung prangten
noch immer die Bilder, welche die Franzosen einst zur Verhöhnung
Deutschlands dort angebracht: über dem Französischen Tore die lächelnde,
über dem Deutschen Tore die stirnrunzelnde Sonne des großen Ludwig.
Den Altbayern wußte das Volk für ihre nachsichtige Schonung wenig
Dank. Anlage, Geschichte und Bildung der beiden Stämme gingen allzu
weit auseinander. Mit grenzenloser Verachtung sprach der aufgeklärte
Pfälzer von der Finsternis dieser bayrischen Köpfe, obgleich doch sein eigenes
Land an dem literarischen Schaffen der Nation auch nur geringen An-
teil nahm; seit der Abtrennung von Heidelberg und Mannheim war das
geistige Leben der überrheinischen Pfalz unverkennbar gesunken, und die
reiche Begabung des geistreichen Völkchens zeigte sich fast allein im Ge-
schäftsleben. Wenn zwei pfälzische Krischer nach der landesüblichen forschen
Art einander die Wahrheit sagten, dann schloß der Gedankenaustausch
unfehlbar mit dem höchsten Schimpfwort: Du Altbayer! Mit verschwin-
denden Ausnahmen verschmähten alle Pfälzer den Staatsdienst in den
alten Provinzen; grollend sah das durchaus unmilitärische Volk seine
Söhne zur Erfüllung der Wehrpflicht „unter die Bayern gehen“. In so
unnatürlicher Lage, beständig aufgeregt durch die Parteikämpfe im nahen
Frankreich, halb selbständig und doch angekettet an eine unbeliebte, wenig
leistende deutsche Regierung verfiel das Land nach und nach einem zungen-
fertigen vaterlandslosen Radikalismus, der überall in Deutschland die
historischen Uberlieferungen ebenso „worzweg“ auszurotten dachte, wie
dies in der fröhlichen Pfalz durch die glorreiche Revolution bereits ge-
schehen war.
Ein Glück nur, daß keine dieser zahlreichen zentrifugalen Kräfte
für sich allein stark genug war den bayrischen Staat zu zersprengen und
keine sich mit den andern verbinden wollte. Ein Glück auch, daß der
gutherzige König sich die persönliche Anhänglichkeit seiner Untertanen
so rasch zu erwerben verstand. Max Joseph hatte die glücklichsten Tage
seiner Jugend als französischer Oberst zu Straßburg verlebt, in einer
Stellung, welcher seine Fähigkeiten genügten, und die Vorliebe für Frank-
reich blieb ihm für sein ganzes Leben, obgleich ihn die Revolution aus
dem Elsaß vertrieb. Bald nach seiner Thronbesteigung in Bayern bat
er den französischen Geschäftsträger Alquier rundweg, er möge ihn „als
einen Franzosen betrachten: so oft ich von den Erfolgen der Heere der
Republik hörte, fühlte ich an meiner Freude, daß ich ein Franzose bin.“)
*) Alquiers Bericht an Talleyrand, München 6. Ventose VII, mir mitgeteilt durch
Herrn Dr. P. Bailleu.