Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

346 II. 6. Süddeutsche Verfassungskämpfe. 
geständnisse an die weltliche Gewalt nur als Indulgenzen, als wider— 
rufliche Gnaden betrachtet hat. Aber die Hoffnung, das napoleonische 
Konkordat noch zu überbieten schmeichelte dem bayrischen Stolze, und 
schlimmsten Falls blieb ja die Krone der Wittelsbacher stark genug das 
Konkordat eigenmächtig abzuändern, sich über die Beschwerden des Papstes 
hinwegzusetzen. Verfehlt wie der Grundgedanke des ganzen Unterneh— 
mens war auch die Wahl des Unterhändlers. Das schwierige Geschäft 
wurde in die Hände des achtzigjährigen Bischofs Häffelin gelegt. Mont— 
gelas wähnte an dem weichmütigen Prälaten ein ganz abhängiges 
Werkzeug zu besitzen und übersah, daß der schwache Greis mit seiner 
Eitelkeit und seinen vierzehn unehelichen Kindern auch den Lockungen 
wie den Drohungen des Vatikans gleich zugänglich war. 
Unter solchen Umständen schöpfte die ultramontane Partei frischen 
Mut; sie hatte sich schon seit dem Jahre 1812 in ganz Süddeutschland 
fester zusammengeschlossen und, ungeschreckt durch Montgelas' harte Ver— 
bote, rührende Bilder und Erzählungen von der Gefangenschaft des 
Papstes unter dem gläubigen Volke verbreitet. Ihr Herd war die 
Kurie des Bischofs von Eichstädt, Grafen Stubenberg; von hier emp- 
fingen während des Wiener Kongresses die Oratoren der katholischen 
Kirche ihre Weisungen. Ihr literarischer Wortführer, der Würzburger 
Weihbischof Zirkel zog gegen Wessenberg zu Felde und forderte als ein 
begeisterter Romantiker unter dem hochtönenden Namen der Kirchenfrei- 
heit die unbeschränkte Herrschaft des Papstes über die deutsche Kirche. 
Bei Hofe besaßen die Klerikalen noch immer mächtige Freunde; auch auf 
den Thronfolger glaubten sie rechnen zu können, da der Prinz durch 
den Hofpfarrer Sambuga streng kirchlich erzogen und ein schwärmerischer 
Jünger der romantischen Schule war. 
Der Ubermut des Ministers bestrafte sich schnell. Bischof Häffelin 
spielte im Vatikan eine klägliche Rolle und übersendete endlich im Herbst 
1816 einen römischen Konkordats-Entwurf, worin der katholischen Kirche 
„alle die Rechte, die ihr nach den kanonischen Vorschriften gebühren," 
vorbehalten wurden. Das hieß, wenn man die Worte ehrlich verstand, 
Zurücknahme der Gleichberechtigung der Protestanten, Aufhebung der 
sämtlichen kirchenpolitischen Gesetze des letzten Jahrzehnts. Für diese 
unerhörte Forderung gewährte die Kurie nur ein wichtiges Zugeständnis, 
dessen Folgen sie glücklicher Weise selber nicht ganz übersah: sie wollte ge- 
statten, daß das Konkordat als bayrisches Staatsgesetz verkündet würde. 
Die klugen Monsignoren hofften offenbar, dem Vertrage durch eine solche 
Verkündigung größere Sicherheit zu geben und bedachten nicht, daß der 
König ein Staatsgesetz jederzeit einseitig ändern durfte. In Montgelas“ 
rücksichtslosen Händen konnte diese unvorsichtige Gewährung zu einer 
scharfen Waffe werden; so lange er am Ruder blieb, stand eine Demü- 
tigung der Krone vor dem Papste nicht zu befürchten.
	        
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