Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Wiederaufnahme der Verfassungsarbeit. 351 
pfändet hatte, blieb ihm nur noch eine Hintertür offen: jener Art. 18 
nämlich, kraft dessen das Konkordat als Staatsgesetz verkündigt werden 
sollte. Die Regierung beschloß — so gestand der Minister Rechberg dem 
preußischen Gesandten im tiefsten Vertrauen — „den Vertrag nach Mög— 
lichkeit zu interpretieren“; sie dachte das Konkordat als Gesetz für das 
Königreich zu veröffentlichen, aber gleichzeitig auch ein zweites Gesetz, das 
den Gewährungen des Konkordats die Spitze abbrechen und die Protestanten 
beruhigen sollte.“) Ein kläglicher Ausweg aus einer selbstverschuldeten 
kläglichen Lage, aber nach allem was geschehen immerhin noch das einzige 
Mittel um die preisgegebenen Rechte der Staatsgewalt zurückzuerlangen. 
Den bequemsten Anlaß zur Ausführung dieses Vorhabens bot die 
Einlösung des Verfassungsversprechens. Am 11. Februar 1818 beschloß 
dad Staatsministerium auf den Antrag des Generaldirektors von Zentner, 
der Verfassung ein Edikt über die Rechtsverhältnisse der christlichen Reli- 
gionsgemeinschaften beizulegen. So hatte die Nachgiebigkeit gegen den 
römischen Stuhl doch die eine günstige Folge, daß die stockende Ver- 
fassungsarbeit wieder in Fluß geriet. Auch die Finanznot kam den 
Wünschen der Verfassungsfreunde zu statten; sie war unter diesem viel- 
köpfigen Regimente so hoch gestiegen, daß der Kronprinz kurzweg erklärte 
nur die Berufung der Landstände könne den zerrütteten Staatskredit 
wiederherstellen.*) Stärker als alle diese Rücksichten wirkte der dynastische 
Ehrgeiz. Die Erwerbung der badischen Pfalz blieb nach wie vor der lei- 
tende Gedanke der bayrischen Staatskunst, und da der Schiedsspruch der 
großen Mächte noch ausstand, so begannen im Frühjahr 1818 die beiden 
Höfe von München und Karlsruhe einen wunderlichen Wettlauf um die 
Gunst der öffentlichen Meinung, die doch sehr wenig bedeutete. Beide 
Gegner betrieben mit fieberischem Eifer ihre Verfassungsberatungen, um 
den Beistand der Tagespresse für die Entscheidung der Gebietsfrage zu 
gewinnen. Darum vornehmlich hielten der Kronprinz und der Feldmar- 
schall standhaft zu der konstitutionellen Partei. 
Seit dem Februar 1818 wurde die Durchsicht der Konstitutions- 
Entwürfe von 1808 und 1814 wieder aufgenommen. Im Verlaufe dieser 
Beratungen gewann Zentner täglich an Ansehen, neben Lerchenfeld der 
beste Kopf des Münchener Kabinetts, vormals Professor in Erlangen, 
aber frei von jenem doktrinären Eigensinn, welcher die deutschen Gelehrten 
in der praktischen Politik fast immer Schiffbruch leiden läßt; Bureau- 
krat durch und durch, beredt, klug, sachkundig, ganz erfüllt von dem Ge- 
danken der Allmacht des Staates, im persönlichen Verkehre geistreich und 
liebenswürdig, wenngleich das geckenhafte Wesen des alten Junggesellen 
zuweilen ein Lächeln erregte. Als Generaldirektor im Ministerium des 
  
*) Zastrows Berichte, 15. Febr., 15. April 1818. 
**) Zastrows Bericht, 15. März 1818.
	        
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