Alemannen und Pfälzer. 357
hoch und niedrig an den köstlichen Kalendergeschichten des Rheinischen
Hausfreundes und an den alemannischen Gedichten Hebels, die in der
treuherzigen Volkssprache von dem Glücke des gemütlichen Oberlandes
erzählten, von seinen dunklen Wäldern und plaudernden Bächen, von
den Kästenbäumen und dem Markgräflerweine, von dem Frohsinn, der
Schelmerei, dem kräftigen Verstande seiner aufrechten Mannen und
schönen Dirnen. Sonne und Mond, Tages= und Jahreszeiten, alle
Schicksalsmächte, die das Leben des Landvolks bestimmen, nahmen in
diesen lieblichen Idyllen die Gestalt und Sprache alemannischer Bauern
an, so daß Goethe rühmte, der oberländische Poet verbauere auf die naivste,
anmutigste Weise durchaus das Universum. Und auch darum erschien
Hebel als ein echter Volksdichter, weil er ganz erfüllt war von dem
Geiste der Aufklärung, der hier zu Lande in der Luft lag. Ein kind-
lich frommer Rationalist sah er über den Streit der Bekenntnisse mit
einer Milde hinweg, die den kirchlichen Eiferern fast bedenklich vorkam,
und versäumte selten den lustigen Geschichten seines Hausfreundes eine
hausbackene moralische Nutzanwendung, die doch immer in den Schranken
der Kunst blieb, anzuhängen.
Der Schwerpunkt des neuen Staates lag in dem überwiegend katho-
lischen Oberlande. Wohl währte es lange, bis die Breisgauer sich über
die Trennung von dem geliebten Kaiserhause trösteten. Der Adel vergaß
die Schließung seines Freiburger Ständehauses nicht und unterhielt erst
mit den französischen Emigranten, dann mit dem Wiener Hofe einen ver-
dächtigen Verkehr; die Bürger beklagten, daß die Altbadener im Staats-
dienste bevorzugt würden, die alten Markgrafenlande immer die tüchtigsten
Amtleute erhielten. Am Ende mußten die vorderösterreichischen Alemannen
die Verbindung mit den badischen Stammgenossen doch natürlich finden.
Weit langsamer gewöhnten sich die pfälzischen Franken des Unterlandes
an den neuen Landesherrn. Was konnte Badens bescheidene Geschichte
aufweisen gegen die stolzen Erinnerungen des ältesten rheinischen Kur-
fürstentums, das so lange den Reichsapfel des Kaisers getragen und, ein
gefürchteter Störenfried der geistlichen Nachbarn ringsum, der streitbaren
reformierten Kirche dort am Unterlaufe des Neckars eine feste Burg er-
richtet hatte? Trotz allem Jammer der letzten kurfürstlichen Zeiten blieb
das Volk noch bei dem alten Spruche: fröhlich Pfalz, Gott erhalt's.
Man sprach noch gern von den alten Tagen, da es so hoch herging am
großen Faß zu Heidelberg; und die glückliche Mutter sagte stolz von ihrer
schönen Tochter: sie schaut aus wie eine Pfalzgräfin. Die freieren Köpfe
wendeten sich, als sie ihr geliebtes altes Gemeinwesen zusammenbrechen
sahen, den nationalen Ideen zu. Keine Landschaft im Süden war so gut
deutsch gesinnt. Die rechtsrheinischen Pfälzer hatten sich vor ihren über-
rheinischen Mitbürgern immer durch ein regeres geistiges Leben ausgezeichnet
und auch als das linke Rheinufer der Fremdherrschaft verfiel, die Fühlung