Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

374 II. 6. Süddeutsche Verfassungskämpfe. 
Anstrich. Während der bayrische Landtag überwiegend aus Grundbesitzern 
bestand, ging Nebenius, als echter Sohn eines literarischen Geschlechts, 
von der Ansicht aus, daß vornehmlich die Bildung vertreten werden müsse, 
und da er wie alle Liberalen die Bildung in den Städten suchte, so gab 
das badische Wahlgesetz vierzehn Städten 22 Abgeordnete, den weit stärker 
bevölkerten ländlichen Wahlbezirken nur 41 Vertreter. Im übrigen ge— 
reichte das Werk dem praktischen Sinne des gelehrten Verfassers zur Ehre. 
Das Grundgesetz war nicht mit Einzelbestimmungen überladen, so daß 
noch Raum blieb für die Lehren der konstitutionellen Erfahrung, und 
lehnte sich nur äußerlich, in der formellen Anordnung, an das traurige 
polnische Vorbild an. Der Adel wurde durch die Errichtung einer ersten 
Kammer zufriedengestellt; der Landtag erhielt ein wirksames Recht der 
Kontrolle, da ihm aller zwei Jahre das gesamte Budget vorgelegt werden 
sollte. Selbst Haller, der Restaurator, mußte das deutsche Rechtsgefühl, 
das aus dieser Verfassung sprach, anerkennen, „obschon sie den Haupt— 
fehler hat eine Konstitution zu sein.“ 
Mit alledem war die Pfalz noch immer nicht gesichert. Die vier 
Mächte, denen die Entscheidung zustand, hatten sich verabredet, auf dem 
Kongresse, der noch in diesem Herbst stattfinden sollte, den Handel endlich 
aus der Welt zu schaffen. Die Ungeduld des Münchener Hofs war jedoch 
kaum mehr zu bändigen, seit der Zustand des kranken Großherzogs sich 
täglich verschlimmerte. Max Joseph und sein Minister Rechberg erklärten 
beide dem preußischen Gesandten: sie seien bereit zu einem Vergleiche; 
sollte aber der Großherzog vor abgemachter Sache sterben, dann werde 
Bayern die Pfalz als heimgefallen betrachten und seine Rechte geltend 
machen.“) Bald nachher liefen in Karlsruhe von allen Seiten Warnungen 
ein: Bayern rüste und ziehe seine Truppen an der pfälzischen Grenze zu— 
sammen. Der Großherzog befahl nunmehr die Beurlaubten einzuberufen. 
Auch der König von Württemberg fühlte sich schwer bedroht; sein Lieb— 
lingsplan, die rein deutsche Trias zerschmolz ihm unter den Händen. 
Sein Gesandter Gremp mußte den bayrischen Minister (25. September) 
schriftlich befragen: ob es denn wirklich wahr sei, daß der König beim 
Ableben seines Schwagers einen Handstreich auszuführen denke; ein solcher 
Schritt müsse „den faktischen Austritt Bayerns aus dem Deutschen Bunde 
zur gewissen Folge haben“; eine bestimmte Widerlegung des Gerüchts 
scheine dringend geboten „grade im gegenwärtigen Augenblicke, wo ein 
aufrichtiges Verständnis der rein-deutschen Bundesstaaten so wichtig ist." 
In einer schnöden und herrischen Erwiderung sprach darauf Rechberg 
sein äußerstes Befremden aus: „S. Maj. haben bisher den Gedanken 
an ein in belobter Note vorhergesehenes Ereignis, welches Allerhöchst- 
dieselben mit dem tiefsten Kummer erfüllen müßte, noch keinen Augenblick 
*) Zastrows Berichte, 5. 30. August 1818. 
 
	        
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