Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Die Großmächte und die Studenten. 431 
heute noch seinen Sohn auf die Hochschule ziehen sehen; an solche Klagen 
nervöser Angstlichkeit schloß sich dann eine meisterhafte, aus der Fülle 
überlegener Sachkenntnis geschöpfte Widerlegung der ruhmredigen Burschen- 
märchen von den Wundertaten der Freikorps und „der heiligen Scharen“. 
In Berlin zeigte sich der König weit besorgter als die Minister. 
Friedrich Wilhelm hatte selbst nie studiert und kannte den derben Humor des 
Burschenlebens nicht; das Poltern und Prahlen des jungen Volks ekelte 
ihn an. Er war bereits im Frühjahr gegen die Hallenser Teutonia einge- 
schritten, als Karl Immermann ihn um Schutz gegen den Terrorismus 
dieser Burschenschaft bat, und ließ nunmehr sogleich auf allen preußischen 
Hochschulen Nachfrage halten, wer an dem Wartburgfeste teilgenommen. 
Die Königsberger Burschen wurden gelobt weil sie sich ferngehalten; der 
Unterrichtsminister aber erhielt (7. Dezbr.) den strengen Befehl, sofort alle 
Verbindungen bei Strafe der Relegation zu verbieten, auch das Turn- 
wesen scharf zu beaufsichtigen. „Ich werde"“, schrieb ihm der König, „nicht 
den mindesten Anstand nehmen, diejenige Universität, auf welcher der 
Geist der Zügellosigkeit nicht zu vertilgen ist, aufzuheben.“) 
Altenstein entledigte sich des Auftrags mit wohlwollender Schonung; 
er hatte das Zutrauen zu dem guten Sinne der Jugend nicht verloren, er 
lobte die furchtlose Haltung des Großherzogs von Weimar und hielt die 
Hoffnung fest, „daß die preußischen Universitäten, so wie sie an zweck- 
mäßiger, freigebiger Ausstattung allen deutschen vorangehen, diesen auch 
als Muster eines regen, aber auf das Rechte gerichteten Strebens voran- 
leuchten werden“. *) Hardenberg dagegen ging auf die Ansichten des 
Königs mit beflissenem Eifer ein. Nicht als ob er die Besorgnisse des 
Monarchen durchaus geteilt hätte, aber die Reden der jungen Demagogen 
drohten ihm seine liebsten Pläne zu zerstören. Das letzte Ziel seiner Politik 
blieb die Vollendung der Verfassung, und dies Werk konnte nie gelingen, 
wenn der erwachte Argwohn in der Seele des Königs sich befestigte; darum 
mußte jede Regung demagogischer Gesinnung sofort und für immer ge- 
bändigt werden. Als irgend ein Ohrenbläser die streng wissenschaftlichen, 
von aller Parteigesinnung freien Vorlesungen Schleiermachers „über die 
Lehre vom Staate“ eben jetzt bei Hofe verdächtigt hatte und der König einige 
verdrießliche Bemerkungen fallen ließ, da fand Hardenberg nicht den Mut, 
durch ein ehrliches Wort dem Monarchen die Augen zu öffnen, sondern 
verlangte alsbald von dem Unterrichtsminister das Verbot dieser Vorträge, 
„die, ohne einen reellen Nutzen zu gewähren, nur dazu dienen die Ge- 
müter zu entzweien“ und gab sein Vorhaben nur auf weil sogar Wittgen- 
stein die Ausführung bedenklich fand. *) Ebenso willfährig kam er den 
  
*) Kabinettsordre an Altenstein, 7. Dez. 1817. 
*“) Altenstein an Hardenberg, 30. Nov. 1817, 25. August 1818. 
! ) Hardenberg an Altenstein und Wittgenstein, 7. Dez., Rother an Hardenberg, 
15. Dez. 1817.
	        
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